Höhere Einnahmen durch „seine“ Grundsteuer? Scholz gibt Kommunen die Schuld
Streit um das Versprechen der Aufkommensneutralität
Scholz betont, die Reform selbst sei nie auf höhere Einnahmen angelegt gewesen. „Die Grundsteuerreform ist aufkommensneutral konzipiert worden“, sagte er der WELT. Ob Gemeinden nun mehr Geld einnehmen, hänge allein von ihren Hebesätzen ab. Viele Kommunen hätten sich aber nicht an die politische Zusage von 2019 gehalten, so Scholz.
In der Tat zeigen Auswertungen in mehreren Bundesländern, dass zahlreiche Städte ihre Hebesätze deutlich erhöht haben. Eigentümerverbände kritisieren, die Reform werde „als Instrument zur Haushaltskonsolidierung missbraucht“. Besonders in Niedersachsen und Baden-Württemberg stiegen die Sätze in fast jeder dritten Gemeinde.
Alte Werte, neue Verfahren
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 entschieden, dass die jahrzehntealten Bewertungsgrundlagen der Grundsteuer verfassungswidrig seien. Seitdem mussten 35 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. In elf Bundesländern gilt das Bundesmodell, das Bodenrichtwert und pauschalisierte Nettokaltmiete einbezieht. Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg nutzen eigene, vereinfachte Verfahren.
Entscheidend bleibt aber der Hebesatz, den jede Kommune selbst festlegt – ohne gesetzliche Obergrenze. Der ursprünglich formulierte Appell an die Gemeinden, die Reform aufkommensneutral umzusetzen, bleibt unverbindlich.
Finanzgericht prüft das Scholz-Modell
Heute verhandelt der Bundesfinanzhof erstmals über Klagen gegen das Bundesmodell. Kläger, unterstützt von Haus & Grund und dem Bund der Steuerzahler, bemängeln unfaire Bewertungsverfahren und „massive Verzerrungen“. Die Finanzgerichte erster Instanz sahen bisher jedoch keine Verfassungsverstöße.
Das Bundesfinanzministerium unter Lars Klingbeil zeigt sich zuversichtlich: Man sei „von der Verfassungsmäßigkeit überzeugt“. Ein Ministeriumsvertreter wurde eigens zu den Verfahren in München entsandt.
Ein Reformprojekt unter Druck
Für Scholz ist die Grundsteuerreform ein zentrales Projekt seiner Zeit als Finanzminister. Sie sollte das System gerechter machen – und sorgt nun für politische Scherben. Ob die Reform wirklich aufkommensneutral bleibt oder zu einer stillen Mehrbelastung führt, entscheidet sich erst, wenn alle Bescheide greifen.
Bis dahin bleibt die Debatte über „seine“ Grundsteuer ein Lehrstück darüber, wie politisch Sprengstoff selbst in scheinbar technischen Reformen steckt.


