Weltwirtschaft

Oxfam: Vermögen der Milliardäre wächst immer schneller

20. Januar 2025, 17:31 Uhr · Quelle: dpa
Schon bald könnte die Welt ihren ersten Dollar-Billionär haben. Der wachsende Superreichtum gefährde demokratische Prinzipien, warnt Oxfam. Rufe nach einer Vermögenssteuer werden wieder laut.

Davos (dpa) - Die Privatjets sind in Davos gelandet. Während in den luxuriösen Hallen des Weltwirtschaftsforums die Reichen und Mächtigen zusammenkommen, klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Laut einer aktuellen Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam gibt es weltweit inzwischen 2.769 Milliardärinnen und Milliardäre ‒ allein im vergangenen Jahr kamen 204 hinzu. Gleichzeitig stagniere die Zahl der Menschen, die unter der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank leben und die Zahl Hungernder steige. 

100 Millionen Dollar reicher ‒ pro Tag

Das Vermögen der Superreichen wächst immer schneller, wie aus dem Oxfam-Bericht hervorgeht, den die Organisation zu Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlichte. Das Vermögen eines Milliardärs vergrößerte sich im vergangenen Jahr demnach im Schnitt um zwei Millionen US-Dollar pro Tag. Die reichsten zehn Milliardäre wurden sogar um durchschnittlich 100 Millionen Dollar pro Tag reicher. Selbst wenn sie über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlieren würden, blieben sie Milliardäre, erklärte Oxfam. 

«Breite Schultern müssen mehr tragen»

«Die aktuellen Zahlen von Oxfam bestätigen eine Entwicklung, die wir mit großer Sorge beobachten ‒ die Gesellschaft driftet wirtschaftlich weiter auseinander», kommentierte Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD). 

Aus der eigenen Sozialberatung höre der Verband immer häufiger, dass immer mehr Menschen nicht mehr wüssten, wie sie ihr Leben bestreiten sollen. Immer mehr fühlten sich abgehängt. Engelmeier: «Die Politik muss hier dringend gegensteuern. Deutschland ist seit Jahren im Dauer-Krisen-Modus und deshalb gilt jetzt besonders: Breite Schultern müssen mehr tragen.»

Gibt es bald den ersten Billionär? 

Die Welt könnte innerhalb eines Jahrzehnts bereits fünf Dollar-Billionäre haben, schließt Oxfam. Im vergangenen Jahr sei das Vermögen der Milliardäre dreimal stärker gewachsen als noch im Vorjahr ‒ von 13 auf 15 Billionen Dollar. «Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und zum Beispiel Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt», kritisiert Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland.

«Der Oxfam-Bericht ist empörend, aber leider erwartbar. Die Schere zwischen arm und reich geht auch in Deutschland unaufhaltsam weiter auf», schrieb der Linke-Politiker Christian Görke. Er fordert als Lösung eine Vermögenssteuer und «eine Erbschaftssteuer, die diesen Namen wirklich verdient». 

In Deutschland viele Milliardäre dank Erbschaft 

Deutschland hat laut dem Oxfam-Bericht die viertmeisten Milliardäre weltweit. Ihre Zahl stieg demnach im vergangenen Jahr um neun auf 130. Ihr Gesamtvermögen liege inzwischen bei 625,4 Milliarden US-Dollar. Deutsche Milliardäre profitieren zudem überdurchschnittlich von Erbschaften, errechnete Oxfam. Während weltweit 36 Prozent des Vermögens von Milliardären aus Erbschaften stammt, sind es hierzulande sogar 71 Prozent.

«Superreiche zahlen oft weniger Steuern als die Mittelschicht» 

«Auch in Deutschland wächst der Superreichtum unaufhaltsam», warnt Oxfam. Zugleich habe die Armut in den letzten Jahren stark zugenommen, viele Menschen könnten ihren gewohnten Lebensstandard nicht halten. «Diese extreme Ungleichheit entsteht maßgeblich durch eine ungerechte Steuerpolitik», erklärte Oxfam-Referent Manuel Schmitt. «Superreiche zahlen hierzulande oft weniger Steuern und Abgaben als Mittelschichtsfamilien.» 

Oxfam fordert deshalb von der kommenden Bundesregierung eine Besteuerung großer Vermögen. Unter anderem SPD und Grüne schlagen das in ihren Programmen für die Bundestagswahl im Februar vor. Laut Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) könnte man «schon mit sehr kleinen Steuersätzen auf die Vermögen Ultrareicher viele Probleme lösen».

Hat die Ungleichheit eher abgenommen?

Kritik an Oxfams Ungleichheitsbericht übt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW): «Eine Wiederbelebung der Vermögensteuer wäre in der aktuellen Wirtschaftslage ein gefährlicher Schritt. Sie würde deutsche Unternehmen zusätzlich belasten, Investitionen in die dringend benötigte Transformation blockieren und die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich schwächen», schrieb IW-Ökonom Maximilian Stockhausen. 

Daten des aktuellen UBS-Weltvermögensberichts zeigen laut Angaben des Instituts eine rückläufige relative Ungleichheit der Nettovermögen zwischen 2008 und 2023. So sei der Gini-Koeffizient in Deutschland von 0,72 auf 0,68 gesunken. Der Gini-Koeffizient misst die Ungleichheit ‒ etwa bei den Einkommen oder Vermögen ‒ in einer Gesellschaft. Dabei bedeutet 0 vollständige Gleichheit und 1 maximale Ungleichheit.

Warnung vor Elon Musks politischer Macht

Sorgen bereitet Oxfam jedoch auch, dass sich die Wirtschaftsmacht der Milliardäre deutlich sichtbar auch in politischer Macht niederschlägt. Die Ungleichheit habe Folgen für die Demokratie, warnte Altinisik von Oxfam Deutschland. «Reichtum geht Hand in Hand mit politischer Macht.» Das sei auch bei der Unterstützung des neuen US-Präsidenten Donald Trump durch den reichsten Menschen der Welt, Elon Musk, zu sehen. Auch Trump ist nach Schätzungen Milliardär.

«Mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar»

Laut einer Studie der gemeinnützigen Initiative LobbyControl verfügen besonders die großen US-Tech-Konzerne für die Durchsetzung ihrer Interessen über ein breites Lobbynetzwerk auch in Europa. Mit 33 Millionen Euro führen demnach Google, Amazon, Meta, Microsoft und Apple die Liste der Unternehmen nach Lobbyausgaben in Europa an. «Diese immense Lobbymacht, gepaart mit großer Markt- und Monopolmacht, und der damit wachsende Einfluss auf die Politik sind mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar», heißt es in der Studie.

Dem Oxfam-Bericht liegen Daten aus verschiedenen Quellen zugrunde. So führte Oxfam etwa Schätzungen des Magahins «Forbes» zum Vermögen von Milliardären mit Daten der Weltbank und solchen aus dem Weltvermögensbericht der Schweizer Bank UBS zusammen.

Weltwirtschaft / Konferenzen / Gesellschaft / Steuern / Finanzen / Armut / Deutschland
20.01.2025 · 17:31 Uhr
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