Analyse: Berliner Senat erneut abgewatscht

Berlin (dpa) - Das schmerzt. Es ist die vierte höchstrichterliche Ohrfeige für den Berliner Senat innerhalb von drei Jahren. Am Dienstag kippte das Bundesverfassungsgericht das Berliner Ladenschlussgesetz als teilweise verfassungswidrig.

Mit dem Gesetz war der rot-rote Senat 2006 bundesweit vorgeprescht. Die Freigabe aller vier Adventssonntage für den Kommerz in der Hauptstadt verstößt gegen den besonderen Sonntagsschutz im Grundgesetz, befand Karlsruhe.

Peinlich ist dies auch für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Er hatte sich damals als oberster Tourismuswerber Berlins für diese weitgehende Liberalisierung des Ladenschlusses besonders stark gemacht. Als gelernter Jurist hätte Wowereit es eigentlich besser wissen müssen. Denn Kirchen und Gewerkschaften liefen von Anfang an Sturm dagegen. Doch in seiner ersten Reaktion wirkte Wowereit keineswegs zerknirscht. «Mit diesem Gesetz ist der Senat sehr wirtschaftsfreundlich gewesen. Wenn man das Rot-Rot vorwerfen will, bitte.»

Doch mit dem erneuten Kippen eines für den Wirtschaftsstandort Berlin wichtigen Gesetzes gerät Wowereit weiter unter Druck. Völlig ungewohnt muss sich der 56-Jährige schon damit auseinandersetzen, dass er in der Gunst der Berliner deutlich gefallen ist. Am Vortag belegte erstmals Wirtschaftssenator Harald Wolf vom Koalitionspartner Linke den Spitzenplatz, während Wowereit wie im Vormonat auf Platz 3 verharrte - noch hinter Innensenator Ehrhart Körting (SPD).

Verfassungsrechtlich nicht haltbar waren zuvor schon Berlins Finanzklage auf weitere Bundeshilfen zur Entschuldung und das Nichtraucherschutzgesetz, die 2006 und 2008 in Karlsruhe scheiterten. Im Oktober fügten die Verfassungsrichter des Landes einen Rüffel in Sachen direkter Demokratie hinzu: Der Senat stoppte demnach die Volksbegehren zur Kita-Ausstattung und zur Wasserbetriebe-Privatisierung zu Unrecht.

Juristische Nachhilfe erteilten die Karlsruher Verfassungsrichter dem Wowereit-Senat bereits bei seiner Finanzklage. Das mit rund 60 Milliarden verschuldete Land befinde sich zwar in einer angespannten Haushaltslage. Doch die könne das Land «mit großer Wahrscheinlichkeit» aus eigener Kraft überwinden, hieß es. Berlin habe sich ärmer gerechnet, als es sei. In süffisanter Anspielung auf einen Spruch Wowereits («Berlin ist arm, aber sexy») kommentierte der Vorsitzende Richter Winfried Hassemer damals, Berlin sei «vielleicht deshalb so sexy, weil es so arm nicht ist».

Auch persönlich musste Wowereit sich schon von den Karlsruher Verfassungsrichtern rügen lassen. Kaum im Amt, übernahm der Regierende Bürgermeister 2002 turnusgemäß die Rolle des Bundesratspräsidenten. Als solcher leitete er am 22. März mit der Abstimmung über das rot-grüne Zuwanderungsgesetz eine der umstrittensten Entscheidungen. Als Ratspräsident wertete Wowereit das klar zwischen SPD und CDU uneinheitliche Votum Brandenburgs durch Nachfrage beim SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe als Zustimmung. Er habe nur die Pflicht gehabt, die Uneinheitlichkeit des Landes zu protokollieren. «Der Bundesratspräsident griff aber in den Verantwortungsbereich des Landes über», urteilte Karlsruhe damals.

Damals sagte Wowereit: «Ich bin kein Verfassungsbrecher.» Am Dienstag argumentierte der Regierungschef, die bundesweit liberalste Regelung zur Ladenöffnung sei der Versuch gewesen, «ein modernes Gesetz zu schaffen, das den veränderten Lebensbedingungen angepasst ist». Und wenn man immer nur nach dem Erfolg schiele, «dann machen wir gar nichts mehr».

Urteile / Einzelhandel / Regierung / Berlin
01.12.2009 · 22:40 Uhr
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