524,5 Milliarden – und kein Ende in Sicht: Warum der neue Bundeshaushalt nur mit Rekordschulden funktioniert
Ein Haushalt, der nur mit neuen Schulden steht
Der Bundeshaushalt 2026 steht – zumindest formal. 524,5 Milliarden Euro Ausgaben, vier Milliarden mehr als noch im Regierungsentwurf vorgesehen. Doch die wichtigste Zahl steht nicht auf der Ausgabenseite, sondern bei den Krediten: knapp 98 Milliarden Euro neue Schulden allein im Kernhaushalt. Dazu kommen Milliarden aus Sondertöpfen für Bundeswehr und Infrastruktur. In Summe ergibt das mehr als 180 Milliarden Euro neue Kredite.
Die Schuldenbremse? Gilt – aber nur, weil sie für Verteidigungsausgaben und bestimmte Sondersituationen gelockert wurde. Ein technisches Detail, das zur zentralen Stellschraube wird.
Mehr Geld für die Ukraine, mehr Druck für die Zukunft
Die größte Änderung kam in letzter Minute aus dem Finanzministerium selbst: Drei Milliarden Euro zusätzlich für Waffen, Munition, Patriot-Systeme und militärische Unterstützung für die Ukraine. Insgesamt steigt die deutsche Ukraine-Hilfe 2026 damit auf 11,5 Milliarden Euro – der höchste Betrag, den Deutschland je dafür bereitgestellt hat. Möglich wird das nur, weil Verteidigung seit Kurzem von der Schuldenbremse entkoppelt ist.
Gleichzeitig bewilligten die Abgeordneten weitere 1,7 Milliarden Euro Darlehen für die Pflegeversicherung, damit die Beiträge zum Jahreswechsel nicht steigen. Wann das Geld zurückkommt, weiß niemand. Dass es irgendwann zurückkommen muss, steht jedoch im Gesetz.
Kleine Programme, große Wirkung – zumindest politisch
Auch innenpolitisch präsentierte der Ausschuss mehrere kleine, aber symbolträchtige Pakete:
- 800 Millionen Euro für ein Förderprogramm zum klimafreundlichen Heizen im Eigenheim.
- 50 Millionen Euro für barrierefreien und altersgerechten Umbau.
- 1,36 Milliarden Euro Startbudget für das neue Digitalministerium, das erstmals einen eigenen Einzelplan erhält – die Nummer 24, einst der Haushalt des Bundesschatzministers.
Es sind Summen, die im Vergleich zum Gesamtetat klein wirken, politisch aber Bedeutung haben: Das neue Digitalministerium soll als Modernisierungsressort wahrgenommen werden, nicht als Papiertiger. Die Wohnungs- und Sanierungsförderungen sollen zeigen, dass die Koalition trotz Sparzwängen soziale Themen nicht vergisst.
Begeisterung, Beklemmung und scharfe Kritik
Wie so oft ist die Bewertung des Haushalts entlang der politischen Linien klar verteilt – doch die Argumente fallen ungewöhnlich scharf aus.
SPD-Haushälter Thorsten Rudolph spricht von einem Haushalt der „Rekordinvestitionen“ und der „Verantwortung für Sicherheit und Zusammenhalt“. Für die Sozialdemokraten ist der Etat ein Beweis dafür, dass man trotz geopolitischer Krisen handlungsfähig bleibt.
Ganz anders klingt es bei den Grünen.
Sebastian Schäfer, Chefhaushälter der Partei, sagt offen, der Etat vergeude Wachstumschancen. Die zusätzlichen Spielräume würden „viel zu wenig“ in echte Investitionen gelenkt.
Noch härter urteilt die Linke.
Dietmar Bartsch spricht von „Mega-Schulden für Mini-Wachstum“ und einem Haushalt, der „für die Mehrheit der Bürger verdammt wenig bringt“. Sein Hauptvorwurf: Während Sozialpolitik stagniert, werde die Rüstung forciert.
Die eigentliche Aufgabe wartet erst
So fordernd die Verhandlungen zum Haushalt 2026 waren – sie gelten bereits als Vorspiel. Denn ab 2027 klafft im Bundesetat ein Loch von mehr als 22 Milliarden Euro. Die Finanzplanung der Folgejahre enthält Lücken, wie sie keine Bundesregierung zuvor schließen musste.
Rund um den Jahreswechsel wollen Kanzler Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder und Finanzminister Lars Klingbeil ein Sparpaket schnüren. Derzeit liegen Vorschläge auf dem Tisch, die von Subventionsstreichungen bis zur Streichung ganzer Förderlinien reichen.
Das zeigt, wie schwierig die Lage wirklich ist: Die Regierung baut einen Haushalt, der gerade noch stabil steht – und weiß gleichzeitig, dass das Fundament schon in zwei Jahren neu gegossen werden muss.
Ein Haushalt als Momentaufnahme
Der Etat 2026 ist kein großer Wurf. Er ist ein Balanceakt: zwischen internationalem Druck, sicherheitspolitischen Notwendigkeiten und einem Staat, der sich Projekte leisten will, die er sich eigentlich nicht leisten kann.
Dass die Schuldenbremse formal eingehalten wird, ist deshalb eher ein politisches Statement als ein Ausdruck fiskalischer Stabilität. Hinter der Fassade wachsen die Kredite weiter, während die strukturellen Probleme unberührt bleiben: zu wenig Wachstum, zu wenig Investitionen, zu viel Abhängigkeit von Notmaßnahmen und Sondertöpfen.
Die entscheidende Frage, die dieser Haushalt offenlässt:
Wie lange lässt sich ein System tragen, das immer wieder neue Kredite aufnimmt, ohne die Ursachen des Geldbedarfs wirklich anzugehen?
Für die Koalition ist der Etat 2026 ein Erfolg. Für die kommenden Jahre ist er eine Warnung.


