Warum immer mehr chinesische Exporte in Deutschland landen – und welche Branchen besonders betroffen sind
US-Zölle als Auslöser – Deutschland als Ausweichziel
Im Frühjahr 2025 hatten die Vereinigten Staaten die Zölle auf zahlreiche chinesische Produkte zeitweise auf bis zu 145 Prozent angehoben. Experten warnten bereits damals, dass die Sperre chinesische Exporteure dazu zwingen würde, ihre Waren in andere Regionen umzuleiten, um Absatzmärkte abzusichern.
Genau das hat sich bewahrheitet. Laut IW-Ökonomin Samina Sultan ist der „Importdruck aus China“ im laufenden Jahr ungewöhnlich stark gestiegen. Gründe dafür sind mehrere Faktoren: die Umlenkung wegen der hohen US-Zölle, massive Subventionen aus Peking, aggressive Preisstrategien – und ein strukturell unterbewerteter Yuan, der chinesische Produkte im Euroraum zusätzlich verbilligt.
Deutsche Autoindustrie besonders exponiert
Besonders auffällig ist der Umlenkungseffekt im Automobilsektor – ausgerechnet in einem Kernbereich der deutschen Wirtschaft. Plug-in-Hybride aus China wurden in den USA wegen der Zölle kaum noch abgenommen: Die US-Importe sind im ersten Halbjahr 2025 nahezu kollabiert und um fast 99 Prozent gefallen. Parallel dazu stiegen die deutschen Importe dieser Modelle um mehr als 80 Prozent.
Die IW-Studie spricht hier von einem „klaren und signifikanten Umlenkungsverdacht“. Doch selbst ohne die US-Zölle verfolgt China eine eigene Strategie: Die Hersteller fokussieren gezielt die Segmente des europäischen Elektromobilitätsmarktes, die nicht von EU-Strafzöllen betroffen sind. Hybridfahrzeuge – im Gegensatz zu reinen Elektroautos – bleiben in der EU zollfrei und werden entsprechend aggressiv exportiert.
Nach dem E-Auto folgt der Lkw
Nicht nur Pkw-Modelle sind betroffen. Die Importe chinesischer Lkw nach Deutschland haben sich im Untersuchungszeitraum fast vervierfacht, während die Exporte in die USA nahezu vollständig eingebrochen sind. Der gleiche Trend zeigt sich bei maschinellen und elektrischen Komponenten: Nach Deutschland gingen rund 60 Prozent mehr Lieferungen, während die USA über 20 Prozent weniger erhielten.
Besonders bemerkenswert sind die Effekte bei Autozulieferern. Die Einfuhren chinesischer Schaltgetriebe nach Deutschland haben sich im Jahresvergleich beinahe verdreifacht – ein Segment, das traditionell als Stärke deutscher Zulieferer galt.
Preisvorteile statt Qualität als Haupttreiber
Die IW-Studie verweist darauf, dass chinesische Produkte qualitativ aufgeholt haben. Noch stärker wirkt aber der Preis: Subventionen, Produktionsüberkapazitäten und ein günstiger Wechselkurs ermöglichen Exportpreise, mit denen europäische Hersteller kaum mithalten können.
IW-Experte Jürgen Matthes warnt entsprechend vor einer strukturellen Gefahr: Ohne zusätzliche Handelsschutzmaßnahmen drohe ein weiterer Verlust industrieller Kernkompetenzen in Europa. Die Forderung der Forscher: Ausgleichszölle für Hybridfahrzeuge und Autoteile, stärkere Überwachung unfairer Preisstrategien und ein effizienteres EU-Handelsschutzsystem.
Ein globaler Trend – nicht nur ein deutscher Einzelfall
Die Studie passt in größere internationale Entwicklungen. Chinas Handelskonflikt mit den USA zwingt das Land dazu, Exportströme umzuleiten:
– Die Ausfuhren in die USA sanken zwischen Januar und September 2025 um 17 Prozent.
– Gleichzeitig nahmen die Exporte in die ASEAN-Staaten um 15 Prozent zu.
– In die EU wuchsen sie um acht Prozent.
– Nach Deutschland stiegen sie sogar um elf Prozent.
Auch frühere Untersuchungen – etwa der Europäischen Zentralbank – zeigen, dass China bereits während der ersten Amtszeit von Donald Trump begonnen hatte, zollbelastete Waren verstärkt in Richtung Europa umzulenken.
Deutschland bekommt die Folgen der US-Zölle direkter zu spüren als viele andere EU-Länder. Die Umlenkung chinesischer Exporte verstärkt den Wettbewerb in Schlüsselbranchen, trifft die Industrie an empfindlichen Stellen und verschärft den politischen Druck auf Brüssel, zusätzliche Schutzmechanismen einzuführen. Klar ist: Der Konflikt zwischen den USA und China verändert die globalen Lieferketten – und Deutschland steht dabei zunehmend im Zentrum.


