Deutsche Konzerne kaufen groß in den USA ein – und der Trend wird sich fortsetzen
Deutsche Unternehmen setzen auf Expansion – vor allem in den USA
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Während deutsche Unternehmen ihre Investitionen in Europa zurückfahren, fließen die Milliarden in Übernahmen und Beteiligungen jenseits des Atlantiks.
2024 gaben Dax- und MDax-Konzerne insgesamt 41 Milliarden Euro für Unternehmenszukäufe aus – fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Besonders auffällig: Über drei Viertel dieser Summe, 31 Milliarden Euro, entfielen auf den US-Markt.
Zum Vergleich: Die Investitionen innerhalb Europas, einschließlich Deutschlands, sanken im selben Zeitraum von 13 auf 8,5 Milliarden Euro. Das zeigt eine aktuelle Analyse der Kanzlei Freshfields, die dem InvestmentWeek exklusiv vorliegt.
Warum sind die USA für deutsche Unternehmen so attraktiv? Die Gründe sind vielfältig – und sie sprechen dafür, dass der Trend in den kommenden Jahren weiter anhalten wird.
1. Niedrigere Zinsen erleichtern Übernahmen
Nach Jahren steigender Finanzierungskosten beginnen die Zinsen zu sinken – und das macht Firmenübernahmen wieder erschwinglicher. Die Europäische Zentralbank hat ihre Leitzinsen mehrfach gesenkt, was Kredite günstiger macht.
„Unternehmen, die sich heute Kapital für Übernahmen beschaffen, zahlen deutlich weniger als noch vor einem Jahr“, erklärt Julian Schoof, Chef des Investmentbankings der Deutschen Bank für Deutschland, Österreich und die Schweiz. „Das führt dazu, dass strategische Deals wieder attraktiver werden.“
Auch an den Anleihemärkten hat sich das Zinsniveau entspannt, wodurch sich Unternehmen günstig mit Fremdkapital eindecken können. Kurz gesagt: Wer jetzt kauft, profitiert von besseren Finanzierungsbedingungen als noch vor wenigen Monaten.

2. Die US-Wirtschaft wächst schneller als Europa
Während die Wirtschaft in der Eurozone schwächelt, bleibt die US-Konjunktur auf Wachstumskurs.
Seit dem Jahr 2000 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland um 28 % gestiegen, in der EU insgesamt um 33 %. Die USA hingegen haben in dieser Zeit ein Wachstum von 64 % verzeichnet – also mehr als doppelt so viel wie Deutschland.
„Wer von diesem Wachstum profitieren will, muss vor Ort sein“, sagt Lars Meyer, Freshfields-Partner und Autor der Studie. „Durch Übernahmen können deutsche Unternehmen direkt in Zukunftsbranchen wie Software, Künstliche Intelligenz oder Industrieautomation investieren.“
Ein Beispiel: Siemens hat für zehn Milliarden Dollar den US-Softwarespezialisten Altair übernommen. Mit diesem Deal sichert sich der deutsche Konzern den Zugang zu innovativen KI-Technologien für industrielle Anwendungen.
3. Handelsrisiken unter Trump – Investitionen als Absicherung
Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist die geopolitische Unsicherheit. Mit Donald Trump zurück im Weißen Haus drohen neue Zölle und protektionistische Maßnahmen. Unternehmen reagieren darauf mit einem simplen Kalkül: Wer in den USA produziert, ist weniger von Handelsbarrieren betroffen.
„Firmen setzen vermehrt auf sogenannte ‘In-Country’-Strategien, um sich gegen politische Risiken abzusichern“, erklärt Jan Brorhilker von der Beratungsgesellschaft EY.
Ein Beispiel dafür ist Volkswagen. Der Konzern investiert massiv in eine Partnerschaft mit dem Elektroautohersteller Rivian, um den US-Markt besser zu bedienen. Ziel ist es, gemeinsam Software für künftige Fahrzeuggenerationen zu entwickeln – und gleichzeitig die eigene Marktpräsenz in den USA auszubauen.
VW-Finanzchef Arno Antlitz brachte es auf den Punkt: „Wenn man den Marktanteil verdoppeln will, muss man noch mehr lokal tun.“
4. Die USA bleiben Technologieführer
Deutschland mag eine starke Industrie haben, doch wenn es um neue Technologien geht, liegt die Innovationskraft oft in den USA.
Ob Künstliche Intelligenz, Biotechnologie oder Chipfertigung – viele Schlüsseltechnologien der Zukunft werden in den Vereinigten Staaten entwickelt. Deutsche Unternehmen nutzen gezielt Übernahmen, um sich den Zugang zu diesem Know-how zu sichern.
Beispiele aus 2024:
- Rheinmetall kaufte den US-Zulieferer Loc Performance, um sich bessere Chancen bei Pentagon-Aufträgen zu sichern.
- Merck übernahm den Krebsspezialisten Springworks Therapeutics, um seine Position in der Biotech-Industrie zu stärken.
- Bosch investierte acht Milliarden Dollar in den Kauf von Johnson Controls, um das Geschäft mit Heizungs- und Klimatechnologien auszubauen.
„Amerika ist und bleibt der wichtigste Markt für deutsche Unternehmen“, resümiert Julian Schoof von der Deutschen Bank.