Clair Obscur: Expedition 33 im Test – Ein skurril-charmantes Meisterwerk, dass den alten RPG-Flair aufleben lässt!
Es braucht nicht viel … Es braucht kein Mega-Budget. Es braucht keinen namhaften Geschichtsschreiber. Es braucht kein gigantöses Entwicklerteam. Es braucht nur zwei Dinge: Eine Geschichtsidee und ein ambitioniertes Entwicklerteam, welches bereit ist Herzblut hineinzustecken. Genau dies hat meiner Meinung nach Sandfall Interactive mit Clair Obscur: Expedition 33 geschafft! Seit mehr als zwei Jahrzehnten hat mich kein anderes Videospiel dermaßen geschichtlich und inhaltlich gebannt. Eine obskure Geschichte gepaart mit schnörkellosen RPG-Gameplay in einer grafisch einwandfreien Verpackung. Das letzte Mal, als ich dermaßen gefesselt wurde, war, als sich die erste Disc Final Fantasy 7 in die PS1 hineinschob. Richtig gelesen! Der Vergleich ist für mich treffend! Ihr glaubt mir nicht? Blickt hinein in die Welt von Clair Obscur und macht euch im nachfolgenden Review selbst ein Bild!
Willkommen bei der 68 Expedition
Bereits ab der ersten Spielminute hat mich Clair Obscur: Expedition 33 gefesselt. Der geschichtliche Einstieg könnte spannender nicht sein: Wir spielen Gustave einen edlen Gesellen knapp über Dreißig, der in einer Welt lebt, in der eine skurrile Regel vorherrscht! Auf einen weit entfernen Monolithen, von der Malerin gezeichnet, steht eine Zahl. Aktuell 34. Jede Person, welche das am Monolith verfasste Alter aufweist, stirbt augenblicklich, indem es sich in rote Blütenblätter auflöst. Ihr denkt euch waaaaaas zur Hölle? Genau wie ich. Dennoch ist die Idee kongenial. Jedes Jahr wird die Zahl am Monolithen um eins reduziert. Exakt an diesem Tag steigen wir in die düstere, trostlose und hoffnungslose Geschichte ein.

Nachdem die Malerin die 34 auf eine 33 reduziert hat und uns somit eine nahe Angehörige genommen hat, entschließen wir uns, gemeinsam mit anderen vermeintlich verlorenen Seelen dem Treiben der Malerin auf den Grund zu gehen und final zu verhindern. Dazu werden jene Personen erwählt, welche als nächstes das Alter des Monolithen erreichen würden. Verlorene also, welche ohnehin nichts mehr zu verlieren haben. Sie werden vor die Wahl gestellt, das letzte Lebensjahr mit den Liebsten und Angehörigen zu verbringen, oder sich der Expedition anzuschließend und versuchen den Fluch der Malerin endlich zu brechen. 67 Expeditionen haben es bereits vorher versucht und sind klaglos gescheitert. Wieso? Wissen wir nicht. Es gilt Licht ins Unbekannte zu bringen und selbst nach Antworten zu suchen.
Gemeinsam mit mehreren Begleitern machen wir uns Richtung Monolith auf. Schon schnell wird uns klar gemacht, dass es sich hierbei um keine romantisch einfache Mission handelt. Der pure Tod wartet an den Ufern des Monolithen. Jedes Lebewesen will uns die Seele rauben und uns scheinbar daran hindern, dem Monolithen oder der Malerin näher zu kommen. Wer ist diese Malerin? Woher kommt sie und was bezweckt sie mit ihrem Fluch? Wir wissen es nicht. Bereits zur Begrüßung macht uns ein weißhaariger, älterer (!) Mann mit seiner Begleiterin das Leben schwer und nimmt vielen Besatzungsmitgliedern aus der Expedition das Leben, ehe diese Fuß fassen konnten. Überraschenderweise sieht der Mann Gustave sehr ähnlich. Ein Zufall? Geschichtsliebhaber hoffen nicht!
Der geschichtliche Inhalt kann sich sehen lassen. Durchdacht und mysteriös zieht die Expedition in seinen Bann. Die erkundete Welt ist für die Charaktere neu, gefährlich und schön zugleich. Die Angst hinter der nächsten Ecke lauert eine weitere Gefahr ist gemischt mit dem Staunen, die Flora und Fauna zu erkunden. Eine tolle Mischung wie ich finde. Eine Mischung die ich zuletzt in den einstelligen Final Fantasy Teilen genießen durfte. Richtig gelesen, Square Enix. Ihr habt definitiv Konkurrenz bekommen. Haltet euch ran.
Märchenhaft obskure Welt
Expedition 33 ist nichts für schwache Nerven. Zunächst hatte mich der brutale Ansatz mit den Expeditionen in seinen Bann gezogen. Wir ziehen durch unerforschte Lande und decken Leichen über Leichen von vergangenen Expeditionen auf. 67 gibt es insgesamt als Collectible zu finden. Mehr und mehr erfahren wir, woran die bisherigen Expeditionen gescheitert sind und wie diese zu Grunde gingen. Gore deluxe! Man wandelt auf den Misserfolgen der zuvor stattgefundenen Expeditionen.
Die betretene Welt von Clair Obscur könnte schöner nicht sein. Überall funkelt oder schimmert es. Endlich weg von den klassischen, ausgelutschten RPG-Klischees von Elfen und Zwergen. Wälder und Minen. Grafen und Könige. In dieser Welt wandeln wir durch ein vermeintliches Unterwassergefängnis. Durchstreifen Klippen mit schwebendem Gestein und waten durch unüberschaubare Ruinen alter Zivilisationen. Es gibt also immer etwas zu bestaunen.
Zusammen mit Gustave, Maelle, Lune und deren Expeditionskollegen durchstreifen wir eine an die Barockzeit erinnernde Epoche. Die vermeintliche Startstadt ist Paris sehr ähnlich. Es dudelt französische Musik aus allen Winkeln der Gassen. Das Auftreten von Clair Obscur: Expedition 33 ist gleichermaßen voluminös, charmant, düster und auch skurril. Eine Mischung, die man nie gesehen hat und daher auch schwierig beschreiben kann. Der Ernst der Hintergrundgeschichte vermischt sich mit dem tristen Alltag einer barocken Zeitepoche. Man weiß selten, ob man weinen oder doch den Charm der Geschichtsschreiber verfallen soll. Einfach eine toll inszenierte Szenerie, die es allemal wert ist, gesehen und erlebt zu werden.
Geschichtliches Volumen und Packende Action
Neben der pompös inszenierten Geschichte steckt (GOTT SEI DANK!) kein simples Rollenspiel. Nun gut, simpel ist der Aufbau schon … jedoch ist das Kampfsystem von Expedition 33 dermaßen durchdacht und actionreich, dass niemals Langeweile aufkommt. Wir steuern unsere Charaktere quer durch die bereits ausführlich beschriebene Welt. In dieser tummeln sich offenkundig und überraschende Gegnergesellen. Wir könnten diese direkt attackieren, um so einen Kampfvorteil zu erhalten, oder versuchen an diese ungesehen vorbeizukommen. Die Stealth-Einlage ist zwar oftmals möglich, aber ich denke von den Entwicklern eher ungewollt.

Das Kampfsystem selbst ist rundenbasierend. Wir dögeln uns abwechselnd mit den Gegnern auf die Birne. Dabei ist ein doch recht actionreiches Feature mitinvolviert. Gegner attackieren zumeist in einer Reihe von rhythmischen Angriffen. Diesen gilt es per Knopfdruck passend auszuweichen oder gar zu parieren. Letzteres gewährt uns sogar eine Kontermöglichkeit. Das Ausweichen und dessen Rhythmus muss jedoch erst erlernt werden. So greifen Gegnertypen in unterschiedlichen Angriffen an, dessen Anzahl und Rhythmus zunächst nicht erkannt sind. Je öfters man denselben Gegnertypus trifft, desto mehr lernt man dessen Angriffsverhalten und kennt das notwendige Ausweichprozedere. Man lernt also quasi am Controller mit. Die Lernkurve ist deutlich zu spüren. Genial!
So kommt es, dass einem einige Gegnertypen mehr liegen als andere. Ich beispielsweise hatte mit einem bestimmten Rhythmus eines Gegners dermaßen Probleme, dass ich diesem offenkundig aus dem Weg gegangen bin. Andere Gegnertypen, gingen mir ohne Probleme von der Hand.
Die Kämpfe sind mitunter knackig kurz, können aber zu größeren Gegnern oder gar Endgegner durchaus zum Spießrutenlauf werden. Ein paar Attacken nicht sauber ausgewichen oder gekontert, kann hier schon das Ende der Expedition bedeuten. Fordernd, aber nicht übermäßig frustrierend. Eine passable Mischung. Die gewonnene Erfahrung können wir in Charakterpunkte investieren, die unseren Gefährten stärker, schneller, ausdauernder oder agiler macht. Jeder Punkt ist spürbar und macht die Charakterentwicklung einmalig. Das schnörkellose System passt ideal zur knallharten Umgebung von Expedition 33.
Zugleich können wir auch unsere Waffen austauschen. Upgraden ist ebenfalls möglich. Jede Waffe bietet dabei eine eigene Idee der Kampfstrategie. Manche setzten mehr auf kritischen Schaden, während manche gewisse Kampfvorteile bringen. Man kann so, seinen eigenen Kampfstil einbringen. Weiters sind auch die Zauber, welche die Charaktere einsetzen können, von Char zu Char einzigartig und mitunter kombinierbar. Ein Char macht die Gegner anfällig auf Feuer. Der nächste setzt diese in Brand und der letzte fügt brennenden Gegner kritischen Schaden zu. Kampfstrategen kommen somit vollstens auf Ihre Kosten.

Die Zauber müssen mit eigenen Punkten in einem überschaubaren Skilltree investiert werden. Das gibt über den gesamten Levelfortschritt eine Langzeitmotivation. Und die muss sein, da die Charaktere (scheinbar) bis LV99 gehen können. Es ist also ein ziemlich langer Weg bis zum Ziel.
Apropos Weg: Wir bewegen uns zwischen einzelnen Abschnitten auf einer nahezu offenen Welt. Zugegeben, die Abzweigungen sind nicht sehr viel und guiden uns doch in eine bestimmte Richtung. Dennoch gibt es abseits der Hauptstory einiges zu entdecken. Neben den verschollenen Expeditionen lassen sich viele Items, Goodies und auch Collectibles sammeln. Baskenmütze samt schwarz-weiß-gestreiftem Tshirt muss dann doch sein. Man ist also neben der Hauptstory auch ordentlich beschäftigt. Und das muss man auch sein, da das konstante Leveln durchaus wichtig ist, ehe man bei einem übermächtigen Gegner schnell mal ansteht.