Bayer ringt mit alten Blockbustern und baut auf neue Hoffnungsträger
Bayer erlebt in seiner Pharmadivision den erwartet harten Übergang von langjährigen Blockbustern zu einer neuen Generation von Arzneimitteln. Die jüngsten Quartalszahlen zeigen, wie weit dieser Wandel bereits fortgeschritten ist – und wie viel Unsicherheit er zugleich mit sich bringt. Der einstige Umsatzgarant Xarelto verliert rapide an Bedeutung, Eylea steht vor dem Auslaufen wichtiger Patente, und dennoch schafft es der Konzern, Lücken mit Wachstumskandidaten zu schließen, die vor wenigen Jahren kaum eine Rolle spielten.
Der Blutverdünner Xarelto, jahrelang das Zugpferd des Pharmageschäfts, sackte im dritten Quartal deutlich ab. Der Generikawettbewerb ist voll entbrannt, und die Erlöse fallen schneller als erwartet. Die Folge ist eine Verschiebung der internen Hierarchie: Xarelto rangiert inzwischen nur noch auf Platz drei der wichtigsten Umsatztreiber. Noch schwerer wiegt, dass kaum Hoffnung auf eine Stabilisierung besteht. Ist ein Markt erst einmal für Nachahmer geöffnet, lässt sich der Preisverfall kaum stoppen.
Auch bei Eylea, dem lange erfolgreichen Augenheilmittel, greifen strukturelle Risiken durch. Die Umsätze gaben nominal zweistellig nach, und das Auslaufen zentraler Patente nimmt dem Produkt mittelfristig die Rolle als verlässlicher Cashbringer. Für einen Konzern wie Bayer, der unter hoher Nettoverschuldung und milliardenschweren Rechtsrisiken leidet, ist der Verlust solcher Ertragsanker besonders schmerzhaft. Der Konzern braucht neue Produkte, die schnell skaliert werden können – und trifft damit auf einen globalen Markt, der zunehmend von spezialisierten Biotechunternehmen geprägt wird.
Genau hier setzt Nubeqa an. Das Mittel gegen Prostatakrebs entwickelt sich bemerkenswert dynamisch und erzielte im dritten Quartal ein Umsatzplus von rund 49 Prozent. Neue Indikationen und breitere Zulassungen öffnen zusätzliche Märkte, und Bayer selbst sieht Potenzial für mehr als drei Milliarden Euro Spitzenumsatz im Jahr. Damit wird das Medikament zum wichtigsten Hoffnungsträger der kommenden Jahre. Die Tatsache, dass Nubeqa aus dem Stand in die Spitzengruppe der Bayer-Produkte aufgerückt ist, zeigt, wie wichtig frühe Expansion und regulatorische Breite in einem hochkompetitiven Umfeld sind.
Überraschend stark präsentierte sich die Mirena-Produktfamilie. Die Nachfrage nach Langzeitkontrazeptiva stieg deutlich zweistellig und unterstreicht, dass stabile, nicht-patentgetriebene Produktlinien in einem volatilen Portfolio wertvoller sind, als sie lange schienen. Bayer profitiert hier von einem globalen Trend: Frauen setzen verstärkt auf länger wirksame Lösungen, und viele Gesundheitssysteme fördern den Einsatz durch planbare Kostenstrukturen. Die Sparte liefert damit einen Beitrag, der relevanter wird, sobald größere Umsatzpfeiler bröckeln.
Auch Kerendia behauptet sich im Markt, wenn auch auf kleinerer Basis. Das Nierenmedikament gilt als langfristiger Kandidat für wachsende Einnahmen, weil es in einer therapeutischen Nische ansetzt, in der Innovationen selten sind. Noch wichtiger sind jedoch die neuen Marktzugänge, die Bayer im Portfolio eröffnet: Lynkuet, ein Mittel zur Behandlung menopausaler Hitzewallungen, erhielt zuletzt gleich in mehreren Industriestaaten die Zulassung. Und mit Beyonttra, einem von BridgeBio einlizenzierten Wirkstoff gegen seltene Herzkrankheiten, erweitert Bayer sein Angebot in einem hochmargigen Segment, das weltweit rapide wächst.
Trotz dieser positiven Signale bleibt die strukturelle Lage des Unternehmens komplex. Die juristischen Risiken in den USA dominieren weiterhin die strategische Debatte. Sie erschweren Investitionen, begrenzen die Flexibilität in der Kapitalstrategie und überlagern operative Fortschritte. Dazu kommt ein Schuldenberg, der zwar tragfähig ist, aber die Spielräume für Akquisitionen, Dividendenpolitik und Forschungsausgaben einschränkt. Ein belastbares Momentum an der Börse bleibt daher aus. Charttechnisch scheiterte erst vor Kurzem der Versuch, die Marke von 30 Euro zu überwinden – ein Hinweis darauf, dass Anleger das Gesamtpaket weiterhin skeptisch bewerten.
Für die Pharmasparte ergibt sich daraus ein Szenario mit zwei Ebenen. Kurzfristig muss Bayer die Umsatzverluste der alten Blockbuster auffangen. Mittel- bis langfristig entscheidet darüber, wie groß die Lücke wirklich wird, ob Produkte wie Nubeqa oder Lynkuet die Rolle klassischer Blockbuster übernehmen können – und ob die Forschungs- und Entwicklungsprogramme ausreichend neue Impulse liefern. Die Dynamik in einzelnen Bereichen ist vielversprechend, doch der Konzern braucht mehrere Jahre stabilen Fortschritts, um das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückzugewinnen.
Am Ende bleibt ein gemischtes Bild: operative Erfolge, ein sich stabilisierendes Produktportfolio und starke Newcomer auf der einen Seite, strukturelle Belastungen und fehlende Kursdynamik auf der anderen. Bayer zeigt, dass die Pharmasparte den Übergang meistern kann – aber auch, dass der Konzern diesen Weg nicht mit Rückenwind, sondern gegen mehrere Gegenkräfte geht.


