Anschlag

Opfer des Weihnachtsmarkt-Anschlags sitzen Täter gegenüber

10. November 2025, 16:17 Uhr · Quelle: dpa
Prozessbeginn gegen Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt
Foto: Jan Woitas/dpa
Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen wird nach einer Pause wieder in den Gerichtssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg geführt.
Mehr als 300 Opfer konfrontieren den Täter des Weihnachtsmarkt-Anschlags in Magdeburg. Der Prozess beleuchtet die Tat und deren Auswirkungen auf Betroffene.

Magdeburg (dpa) - Mehr als zwei Stunden lang hören die Betroffenen zu, während die Anklage die Todesfahrt über den Magdeburger Weihnachtsmarkt nachzeichnet. Namen, Verletzungen, Operationen und Krankenhausaufenthalte. Weit mehr als 300 Opfer gab es, sechs Menschen - darunter ein Kind - überlebten den Anschlag am 20. Dezember 2024 nicht. Fast elf Monate später sitzen viele Betroffene dem Mann aus Saudi-Arabien gegenüber, der damals über den Weihnachtsmarkt raste. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat der Prozess gegen Taleb al-Abdulmohsen begonnen. 

Angespannt blicken die Nebenkläger auf den 51-Jährigen, der in einer extra gesicherten Glaskabine sitzt und sich vor dem Landgericht Magdeburg selbst äußert. Allerdings sagt er so gut wie nichts zur Tat, sondern zu vermeintlichen Verfehlungen der Polizei und zu Frauen in Saudi-Arabien. Auch über die Medien zieht er her. Er hält seinen Laptop hoch, wo «Sept. 2026» zu lesen ist. «Da ist die nächste politische Wahl in Sachsen-Anhalt», erklärte der aus Saudi-Arabien stammende Mann, der als Islamkritiker bekannt ist. Am 6. September 2026 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. 

Keine Entschuldigung, keine Reue

Zwischendurch gibt der 51-Jährige zu: «Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat.» Weitere konkrete Angaben macht er zunächst nicht. Keine Entschuldigung, kein Zeichen der Reue zu der Tat. Mehrfach versucht der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg die ausschweifenden Ausführungen des Angeklagten und auch politische Äußerungen zu bremsen.

Die Anklage wirft ihm unter anderem vollendeten Mord in sechs Fällen und versuchten Mord in 338 weiteren Fällen vor. Oberstaatsanwalt Matthias Böttcher und sein Kollege Staatsanwalt Marco Reinl vollziehen bei der Verlesung der Anklage den Weg des Fahrers über den Weihnachtsmarkt nach. 

Schlangenlinien, um besonders viele Personen zu treffen

Zuerst erfasste Taleb al-Abdulmohsen Passanten, die an einer Fußgängerampel warteten. Er lenkte den mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken Wagen auf den Weihnachtsmarkt, etwa 350 Meter weit und mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde. 

Aus einer «vermeintlich persönlichen Frustration» heraus sei es dem Beschuldigten darum gegangen, eine «möglichst große Menge von Personen» zu erfassen. Dafür sei er in Schlangenlinien gefahren, um möglichst viele Personen zu treffen - um so die «von ihm gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen», so Böttcher. 

Herumfliegende Gegenstände und Körper

Der Todesfahrer überfuhr Menschen, andere wurden angefahren oder von herumfliegenden Gegenständen oder Personen getroffen - teils ließ sich das laut Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr genau nachvollziehen. Immer wieder ist von Frakturen an Beinen und Hüften, von Trümmerfrakturen, Schädel-Hirn-Traumata und schmerzhaften Prellungen die Rede. Kinder waren unter den Opfern ebenso wie Frauen und Männer. Eine Schwangere wurde so stark verletzt, dass die Fruchtblase platzte, ein Tag später kam das Kind zur Welt.

Am Ende starben sechs Menschen, fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren sowie ein neunjähriger Junge. Die mehr als 300 Betroffenen stammen nach Angaben des Bundesopferbeauftragten aus fast allen Bundesländern. Einige kommen auch aus dem Ausland wie etwa Spanien, den USA und Großbritannien. 

Betroffene nehmen am Prozess als Nebenkläger teil

Rund 180 Betroffene und Hinterbliebene treten bislang als Nebenkläger auf, vertreten durch etwa 40 Anwälte. Das Interims-Gerichtsgebäude wurde errichtet, damit alle teilnehmen können. Der Bundesopferbeauftragte Roland Weber sprach vor Prozessbeginn mit anwesenden Betroffenen. «Mehrheitlich machen sie einen ruhigen und gefassten Eindruck», sagt Weber.

Viele Nebenkläger ließen sich zum Prozessauftakt aber auch von ihren Anwälten vertreten und kamen nicht persönlich. «Wenn man mit den Nebenklägern spricht, ist es so, dass die lieber den Prozess auf Abstand beobachten über uns als Anwälte», sagt die Anwältin Petra Küllmei, die mehr als 100 Betroffene vertritt. Viele Opfer trauten sich überhaupt nicht in die Nähe des Gerichtssaales. 

Viele Betroffene trauen sich nicht zum Prozess

«Im Gerichtsgebäude ist ja der Angeklagte, ist der Täter und vor dieser Konfrontation haben ganz viele Angst, viele haben auch psychische Probleme und sind gar nicht in der Lage, hier in den Gerichtssaal zu kommen», so Küllmei. Psychische Gründe und auch körperliche Beeinträchtigungen werden auch von anderen genannt. Von denen, die zum Prozess kamen, blicken viele fassungslos, als der Angeklagte spricht. Manche wenden sich ab, andere schütteln die Köpfe. 

Mit dem Hubschrauber gebracht

Das Verfahren gehört zu den größten der Nachkriegsgeschichte. Zum Prozessauftakt reisten zahlreiche Medienvertreter aus dem In- und Ausland nach Magdeburg an. Im Zuschauerbereich blieben jedoch zunächst etliche der 100 Plätze in dem Interims-Gerichtsgebäude frei. 

Der Angeklagte, der als Arzt im Maßregelvollzug mit psychisch kranken Straftätern arbeitete, wurde mit einem Hubschrauber aus der Haftanstalt Burg nach Magdeburg gebracht. Seit mehreren Tagen befindet sich der Mann in der Obhut des Justizvollzugs Sachsen-Anhalt. Davor hatte er mehrere Monate in Berlin in Untersuchungshaft gesessen. Weitere Details nannte ein Sprecher des Justizministeriums dazu nicht. Nach dpa-Informationen wird al-Abdulmohsen jeweils zu den Prozesstagen geflogen.

Prozess unter hoher Sicherheit

Erfolglos kritisierte der Verteidiger den Sitzplatz hinter schusssicheren Scheiben. Richter Sternberg betonte, der Platz sei wichtig zum Schutz des Angeklagten, er solle so vor möglichen Racheakten geschützt werden. 

Das Gebäude ist von einem Zaun mit Stacheldraht umgeben und zusätzlich von mobilen Pollern geschützt. Eine Hundertschaft der Polizei war im Einsatz, fast ebenso viele Justizbeamte aus Sachsen-Anhalt sicherten nach dpa-Informationen den Prozessauftakt ab. Trotz umfangreicher Sicherheitskontrollen begann die Verhandlung nahezu pünktlich. 

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Das Landgericht Magdeburg hat bis zum 12. März 2026 zunächst knapp 50 Verhandlungstage angesetzt.

Prozess (Gericht) / Notfall / Kriminalität / Anschlag / Sachsen-Anhalt / Deutschland
10.11.2025 · 16:17 Uhr
[13 Kommentare]
Siemtje Möller (Archiv)
Berlin - Vor dem E-3-Treffen von Friedrich Merz, Keir Starmer und Emmanuel Macron in London - an dem auch Wolodymyr Selenskyj teilnimmt - fordert SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller, dass Europa künftig stärker sicherheitspolitisch in der Ukraine Verantwortung übernimmt. "Wenn wir Sicherheitsgarantien gemeinsam aussprechen wollen, dann müssen wir eine Rolle spielen", sagte sie dem Nachrichtenmagazin […] (00)
vor 11 Minuten
Finnische Autofokus-Brille in letzter Entwicklungsphase – bald wieder Sehen ohne Grenzen?
So ziemlich jeder wird mit steigenden Alter weitsichtig. Und weil ein bedeutender Anteil der Bevölkerung dazu auch noch kurzsichtig ist, hilft die »normale« Brille dann nicht mehr weiter. Eine teure (und für viele Leute auch nervige) Gleitsichtbrille muss her – oder man endet in einem ständigen Brillenwechsel zwischen Lese- und Fernsicht. Wie schön wäre eine Brille, die sich selbst fokussiert! […] (02)
vor 15 Stunden
Netflix übernimmt Warner Bros.
Washington (dpa) - Laut US-Präsident Donald Trump könnte der hohe Marktanteil von Netflix im Streaming-Geschäft ein Problem bei den Übernahmeplänen für das Hollywood-Studio Warner Brothers sein. Er verwies auf die anstehende Wettbewerbsprüfung und sagte, er werde auch in die Entscheidung involviert sein. Netflix will das Studio- und Streaming-Geschäft von Warner Brothers in einem gut 82 Milliarden […] (00)
vor 24 Minuten
Review: Turtle Beach Burst II Pro – Gaming Maus oder graues Mäuschen
Die Turtle Beach Burst II Pro will nicht „nur“ schnell sein, sondern konsistent schneller und präziser als das, was du gewohnt bist. Das merkt man schon an der Architektur: echte 8K‑Wireless‑Polling‑Rate, ein Sensor, der nach oben wie nach unten ungewöhnlich fein skaliert, sowie ein konsequent leichtes, symmetrisches Gehäuse ohne Hohlraum-Skelet-Design. Dazu kommt eine Software, die nicht bloß […] (00)
vor 13 Stunden
«BuyBust: The Undesirables»: Netflix startet 2026 Action aus den Philippinen
Der «BuyBust»-Nachfolger wird zur dystopischen High-Intensity-Serie: Anne Curtis und Gerald Anderson jagen als ungleiches Duo einen Phantom-Drogenboss mitten in einer gesetzlosen Zone nahe Manila. Netflix erweitert seine asiatische Originals-Offensive um einen der ambitioniertesten Actiontitel des Jahres 2026: BuyBust: The Undesirables, eine neunteilige dystopische Thriller-Serie aus den Philippinen. Regie führt Genre-Spezialist Erik Matti, der […] (00)
vor 1 Stunde
Großer Preis von Abu Dhabi
Abu Dhabi (dpa) - Auf eines ist der neue Formel-1-Weltmeister Lando Norris besonders stolz. «Ich habe einfach auf meine Art gewonnen», betonte der 26 Jahre alte Brite nach seinem Titeltriumph: «Ich habe das Gefühl, dass ich genauso gewonnen habe, wie ich es wollte, nämlich ohne jemand zu sein, der ich nicht bin.» Im letzten Rennen der Saison 2025 hatte Norris Platz drei hinter Sieger Max […] (00)
vor 1 Stunde
Baidu plant Mega-IPO für KI-Chip-Tochter Kunlunxin
Die Pläne sind offiziell: Der chinesische Technologiekonzern Baidu prüft einen Börsengang seiner Chip-Tochter Kunlunxin. Die Sparte entwickelt spezialisierte KI-Prozessoren und könnte schon 2026 in Hongkong gelistet werden. Baidu bestätigte entsprechende Medienberichte am Sonntag, betonte aber, dass der Prozess von regulatorischen Zustimmungen abhängt und nicht garantiert sei. Warum Baidu jetzt […] (00)
vor 18 Minuten
Neuer ZVO-Stipendiat an der TU Ilmenau
Hilden, 07.12.2025 (PresseBox) - Janos Lörincz absolvierte zunächst ein Chemie-Studium (B.Sc.) an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Daran schloss sich ein Lehramtsstudium in den Fächern Chemie und Geschichte an, ebenfalls an der Johannes Gutenberg-Universität. Im Oktober 2025 begann er das Masterstudium der Elektrochemie und Galvanotechnik an der TU Ilmenau. Sein Interesse für Chemie […] (00)
vor 22 Stunden
 
branch, winter, snow, winter magic, snow magic, white, snowy, cold, tree, frost, winter dream, winter mood, covered in snow, winter's day, nature, plant, hoarfrost, frozen, wintry, blue, detail, winter, winter, winter, winter, winter, snow, snow, snow, sn
Deutschland erlebt derzeit eine ungewöhnlich milde Phase, die eher an den Frühling erinnert als […] (02)
Putschversuch in Benin
Cotonou (dpa) - Unmittelbar nach einem vereitelten Putschversuch in Benin hat die […] (00)
Polizei (Archiv)
Wiesbaden - Im Bundeslagebild "Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" für das Jahr 2024 […] (03)
Bald wird im Oberrheingraben Lithium für 500.000 Stromer-Akkus im Jahr gefördert
Bislang ist Lithium aus der Batterieproduktion nicht wegzudenken – und Deutschland abhängig von […] (10)
Warhammer 40.000: Dawn of War 4 – Neuer Trailer enthüllt Dark Angels als spielbare Fraktion
PC Gamer hat Warhammer 40,000: Dawn of War 4 offiziell in die elitäre Liste der „Most Wanted […] (00)
Trophäe im DFB-Pokal
Dortmund (dpa) - Im Viertelfinale des DFB-Pokals kommt es zum Top-Duell zwischen dem […] (04)
Review: Roborock F25 Ultra – kraftvoller Premium-Dampfreiniger für makellose Böden
Moderne Haushalte profitieren enorm von Geräten, die mehrere Reinigungsaufgaben gleichzeitig […] (00)
So mischt Miniso den deutschen Einzelhandel auf
Miniso setzt auf bunte, verspielte Designs und ein Sortiment, das bewusst auf Impulskäufe […] (01)
 
 
Suchbegriff