Nach dem Vorbild der Tech-Riesen: So plant die Schwarz-Gruppe, das Silicon Valley zu imitieren

Trotz der anhaltenden Schwäche des Geschäftsfeldes strebt Deutschlands härtester Handelsbetrieb nach einer Neuorientierung

Die Schwarz-Gruppe, Deutschlands härtestes Handelshaus, will sich aufgrund stockenden Kerngeschäfts neu erfinden.

Trotz des bisherigen Kerngeschäfts beschreitet das Familienunternehmen Neuland und errichtet einen Campus – terrassenartig angelegt auf einem Hang, mit viel Glas und Grün. Dieser soll die Neuerfindung der Schwarz Gruppe symbolisieren und Platz für bis zu 5000 IT-Spezialisten aufnehmen.

Der Ernst des Unternehmens, der laut Konzernchef Gerd Chrzanowski in enger Zusammenarbeit mit den Praktikern aus dem Handel erfolgen soll, manifestiert sich unter anderem im neuen Tochterunternehmen Schwarz Digits, welches Cloud-Dienste für andere Mittelständler anbietet.

Christian Müller und Rolf Schumann, die Führungskräfte des Unternehmens, sehen das Digitalkarussel als eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von Kaufland und Lidl zu reduzieren und neue Erlösquellen zu erschließen. Die Cloud-Technologie der Schwarz-Gruppe, die zunächst für internen Zwecken entwickelt wurde, steht im direkten Vergleich zu den großen US-amerikanischen Anbietern AWS (Amazon Web Services), Microsoft und Google, den sogenannten Hyperscalern.

Leistungen von ersterer sind aber europäisch orientiert und schützen, dank der israelischen IT-Sicherheitsspezialisten XM Cyber, die Kunden vor Hackerattacken etc. In einem Interview mit dem Handelsblatt verspricht Gerd Chrzanowski ein „hohes Niveau zu einem günstigen Preis“.

Als nächster Schritt konzentriert sich die Schwarz-Gruppe auf das Mittelstandssegment und Unternehmen, die Nachholbedarf haben. Für 2021 prognostiziert Gartner einen Umsatzanstieg der Cloud-Dienste um 22% auf fast 600 Milliarden Euro, die die Hyperscaler für sich beanspruchen möchten. Gerd Chrzanowski ist überzeugt, dass die Schwarz-Gruppe mit ihrem niedrigen Preis und Sicherheitsangebot sich eine ansprechende Marktposition erarbeiten kann.

Kann die Schwarz-Gruppe mit ihrer Data-Offensive gegen die großen Technologiekonzerne von der amerikanischen Westküste der Welt der Cloud-Services bestehen?

Es ist eine Wette, die ein Stück weit schon jetzt als Flucht nach vorn wahrgenommen wird. Denn klassische Discount-Geschäfte schütten immer weniger Gewinn ab. Immer deutlicher wurde dies, als die Jahreszahlen im Mai vorgelegt wurden.

Obwohl alleine die Lidl Stiftung & Co. KG – der Tochterkonzern, in dem das gesamte Handelsgeschäft (außer dem deutschen und französischen Markt) zusammengefasst ist – im Geschäftsjahr 2022/23 einen Jahresüberschuss von 1,624 Milliarden Euro erwirtschaftete, sank die Umsatzrendite aufgrund von Kostensteigerungen bei Handelswaren, Rohstoffen, Energie und Transport auf nur noch zwei Prozent.

Insbesondere in Deutschland, einem der wichtigsten Wachstumsmärkte, müssen Maßnahmen getroffen werden, um das Unternehmen auf Kurs zu halten: Lidl muss effizienter produzieren und nimmt nun auch kostenbewusster Anlageinvestitionen vor.

So wird beispielsweise in Großbritannien der Ausbau der Märkte etwas verlangsamt und stattdessen vorrangig in Logistikeffizienz investiert. Darüber hinaus muss die Bezahlung der Mitarbeiter erhöht werden, um gute Leute im Einzelhandel zu gewinnen.

Um beim Kampf um regulierte, sichere Cloud-Dienste mithalten zu können, muss die Schwarz-Gruppe schnell an Größe gewinnen, Skalierung lautet dabei das Stichwort für IT-Manager. Zwar hat die Europäische Union mit den USA ein Abkommen über Datentransfers geschlossen, aber Microsoft und Google bieten ihren Cloud-Diensten zusätzliche Absicherungen.

Auch europäische Anbieter wie Ionos, Secunet und Owncloud vermarkten eigene sichere Dienstleistungen. Doch daher die schwierigere Position, in die Lidl zusehends gerät.

Gehört zur DNA der Schwarz-Gruppe Wachstum, ist es im Discounter-Kerngeschäft aber immer schwerer, profitabel zu wachsen. Daher müssen neue Geschäftsfelder angeschoben werden. Und so hat Schwarz-Chef Chrzanowski seit seinem Amtsantritt als Vorstand für das Ressort Zentrale Dienste der Gruppe 2014 still und beharrlich daran gearbeitet, die Wertschöpfungskette anzupassen und den Kreislauf zwischen Lebensmittelproduktion, Einzelhandel und Recycling des anfallenden Verpackungsmülls zu schließen.

Dabei erweiterte er mit Prezero, einer Entsorger-Sparte, ebenso wie mit der Einbindung der Lebensmittelproduktion die eigene Kette und klinkte sich gleichberechtigt in die Big Player der Nahrungsmittelindustrie ein.

Doch auch er ist auf Investitionen angewiesen – Milliardeninvestitionen. Zuletzt wurde der Schwerpunkt auf die Cyber-Security für externe Kunden gelegt, die mit 700 Millionen Euro den größten Teil der Investorenmittel verschlingt.

Für Hudetz, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IFH in Köln, sei das eine Parallele zu Amazon, die einzigartig im Handel Wachstum erreichen würden. Die Umstrukturierung hat daher auch Einfluss auf die Expansion im Kerngeschäft, weshalb Firmengründer Dieter Schwarz ein Machtwort gegenüber „Killerwal“ Klaus Gehrig sprach und ihn schließlich aus dem Unternehmen entließ.

Chrzanowski war es, der seinem Widersacher Gehrig den Garaus machte. Doch mittlerweile spürt er neuen Gegenwind: Die steigenden Zinsen werden zunehmend zur Belastung für die Schwarz-Gruppe und begrenzen deren Spielraum für Investitionen.

Zum Vergleich: Der ewige Konkurrent Aldi bezahlt alle Investitionen aus dem eigenen Kapital. „Das tut ihnen richtig weh“, sagt ein Insider. Aus Veröffentlichungen im Unternehmensregister geht hervor, dass die Zinskosten bei der Lidl Stiftung im vergangenen Jahr um mehr als 200 Millionen auf 360 Millionen Euro gestiegen sind. Unter den Gesamtverbindlichkeiten des Unternehmens dürften sich mittlerweile über 20 Milliarden Euro befinden.

Als noch kostspieligeres Unterfangen hat sich auch Lidls Expansion in die USA entpuppt – dort beträgt der jährliche Verlust weiterhin ein hohes dreistelliges Millionensumme. Anders als in anderen ländern hat es der Discounter bisher nicht geschafft, sich an die vor Ort gegebenen Strukturen anzupassen. Mit Joel Rampoldt kommt nun ein Amerikaner als neuer US-CEO, womit es der fünfte Landeschef in sechs Jahren ist.

Auch im obersten Führungskreis der Schwarz-Gruppe herrscht nicht uneingeschränkt Einigkeit darüber, wie mit der schwierigen Situation umgegangen werden soll: Thomas Kyriakis, der Chef der Prezero, und Carsten Theurer, der Finanzchef der Schwarz-Gruppe, verlassen Ende dieses Monats das Unternehmen, nachdem Unterschiede über die strategische Ausrichtung bestehen.

Dass die Transformation (des Unternehmens) auf Erfolg gekrönt wird, ist Gründer Dieter Schwarz, der den kleinen väterlichen Großhandelsbetrieb zu einem Einzelhändler von Weltrang formte, zu verdanken. Sein unbedingter Wille, dem Risiko eines Digitalumbaus zu gehen, hält die Schwarz Gruppe zusammen. Nicht nur das: Der Unternehmer fördert auch zahlreiche Institutionen im Bereich Bildung und Forschung, darunter die Programmier-Schule „42“, eine Erzieherakademie und Dutzende Stiftungsprofessuren.

Sein neuestes Großprojekt ist der „Ipai“ - ein Campus für Künstliche Intelligenz, der auf 30 Hektar und mit zwei Milliarden Euro gefördert wird. Unternehmen und Forschungsakteure sollen hier Labore zum Entwickeln und Erproben von Künstlicher Intelligenz vorfinden, ein Rechenzentrum und Gemeinschaftsarbeitsflächen.

Porsche, Würth und der Robotikspezialist Schunk haben dort bereits provisorische Büros bezogen. Wohl bis zu 5000 Menschen werden in Zukunft in den Ipai einziehen. Handelsexperte Hudetz bewundert Sunsch, der aus dem, was damals ein kleiner väterlicher Großhandelbetrieb war, einen Einzelhändler von Weltrang machte und 13.700 Märkte unter den Marken Lidl und Kaufland eröffnete.

Und trotz seiner Abneigung gegen Menschenführung mischt Schwarz gelegentlich direkt ein, wenn ihm etwas wichtig erscheint. Als die Schwarz-Gruppe vor einigen Jahren 130 Filialen des Konkurrenten Real übernehmen wollte, charterte er als erster persönlich einen Hubschrauber, um alle 279 Real-Filialen in Deutschland in Augenschein zu nehmen.Obwohl er (Schwarz) seinem Finanzchef Chrzanowski beim Umbau des Unternehmens relativ viele Freiheiten einräumt, muss letztlich auch er aus den Gewinnen des laufenden Geschäfts finanzieren.

Bis die Schwarz-Gruppe das deutsche Amazon wird, ist wohl noch ein weiter Weg.

Finanzen
[Eulerpool News] · 01.10.2023 · 15:00 Uhr
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