Merkels rückblickende Gedanken zu EU-Russland-Beziehungen erregen heftige Reaktionen
Im Angesicht der geopolitischen Spannungen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Angela Merkel, ehemalige Bundeskanzlerin, kürzlich in einem Interview mit dem ungarischen Portal 'Partizán' über ihre früheren Bestrebungen gesprochen, einen intensiveren Dialog zwischen der EU und Wladimir Putin zu fördern. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plante sie im Sommer 2021 ein neues Gesprächsformat, um auf das nachlassende Vertrauen in das Minsker Friedensabkommen zu reagieren. Pandemiebedingte Einschränkungen hätten jedoch den direkten Austausch erschwert, was, so Merkel, bedauerlicherweise negative Folgen gehabt habe.
Ein solches Gesprächsformat fand damals keine Unterstützung in Ländern wie Polen und den baltischen Staaten. Diese Staaten hegten die Sorge, dass eine EU-Politik gegenüber Russland möglicherweise uneinheitlich ausfallen könnte. Merkel betonte, dass es ihr Ziel gewesen sei, gemeinsame politische Ansätze zu erarbeiten, wenngleich die Initiative letztendlich nicht zustande kam. Sie hinterließ offene Fragen bezüglich der alternativen Entwicklungsszenarien, hätte sich die EU darauf verständigt.
Die Antwort auf Merkels Rückblick kam prompt vom estnischen Außenminister Margus Tsahkna. Er kritisierte die Aussagen der Ex-Kanzlerin scharf und führte als eigentliche Ursache für Russlands Aggression die anhaltende Unfähigkeit Putins an, den Zerfall der Sowjetunion zu akzeptieren. Tsahkna argumentierte weiter, dass die westliche Tendenz, Putins Verhalten nachsichtig zu betrachten, ebenso Teil des Problems darstelle. Insbesondere die mangelnde Reaktion auf Russlands frühere aggressive Aktionen sei ein Fehler gewesen.
Das Interview, das bereits seit einigen Tagen online verfügbar ist, zog nicht nur in Estland, sondern auch in Lettland und Litauen kritische Blicke auf sich. Anlass des Interviews war Merkels Besuch in Budapest, wo sie an der Promotion der ungarischen Ausgabe ihrer Memoiren beteiligt war. Eine Sprecherin Merkels äußerte, dass die Kommentare der Ex-Kanzlerin keine neuen Aspekte enthalten und im Wesentlichen bereits bei einer Veranstaltung im Juni 2022 thematisiert wurden, wobei die explizite Erwähnung der baltischen und polnischen Haltung damals ausblieb.

