Gewinneinbruch zwingt Mercedes zu radikalen Maßnahmen
Die goldenen Zeiten in der Automobilbranche scheinen vorerst vorbei – und Mercedes bekommt das besonders zu spüren. Die aktuelle Geschäftsbilanz des Stuttgarter Konzerns offenbart einen deutlichen Gewinneinbruch. Trotz hoher Fahrzeugpreise gerät der Hersteller unter Druck, da die Nachfrage in Schlüsselregionen wie China stagniert und geopolitische Unsicherheiten die Exportmärkte belasten.
Nun zieht der Vorstand um CEO Ola Källenius die Notbremse. Mit einem umfassenden Sparprogramm namens „Next Level Performance“ will der Konzern bis 2027 die Fixkosten um zehn Prozent senken und seine Produktionskapazitäten umstrukturieren. Doch das bedeutet auch drastische Einschnitte – insbesondere in Deutschland.

Schrumpfkurs: Mehr Produktion in Billiglohnländern, weniger in Deutschland
Die Zeiten des ungebremsten Wachstums sind vorbei. Während Mercedes einst plante, mit BMW bei den Verkaufszahlen gleichzuziehen, vollzieht der Konzern nun eine Kehrtwende. Die globale Produktionskapazität soll bis 2027 auf zwei bis 2,2 Millionen Fahrzeuge begrenzt werden – deutlich weniger als BMWs derzeitige Stückzahlen.
Ein entscheidender Faktor der Neuausrichtung ist die Verlagerung von Produktionskapazitäten in kostengünstigere Standorte innerhalb Europas. Laut Finanzvorstand Harald Wilhelm soll der Anteil der in „Low-Cost-Ländern“ gefertigten Fahrzeuge von derzeit 15 auf 30 Prozent steigen.
Besonders profitieren dürfte davon das Werk in Kecskemét, Ungarn, dessen Faktorkosten 70 Prozent unter denen der deutschen Standorte liegen.
Einschnitte in Deutschland – doch Werksschließungen (noch) kein Thema
Während die Kapazitäten in Ungarn steigen, sollen in Deutschland pro Jahr 100.000 Fahrzeuge weniger vom Band laufen. Dennoch gibt es eine halbwegs beruhigende Nachricht für die deutschen Mitarbeiter:
„Wir haben keine Absicht, ein Werk in Deutschland zu schließen“, erklärte Wilhelm.
Allerdings bleibt unklar, wie viele Arbeitsplätze tatsächlich gestrichen werden. Es ist nicht das erste Mal, dass Mercedes einen Stellenabbau vage formuliert – in der Vergangenheit folgten oft umfassendere Kürzungen als zunächst kommuniziert.
China bleibt ein Sorgenkind – und die USA eine Bedrohung
Besonders in China, dem wichtigsten Absatzmarkt für den Konzern, ist die Lage angespannt. Während Mercedes dort lange von der steigenden Kaufkraft profitierte, wird der Markt zunehmend von lokalen Herstellern dominiert, die mit günstigeren und innovativeren Elektrofahrzeugen überzeugen.

Gleichzeitig droht aus den USA eine neue Gefahr. Sollte Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen erneut gewinnen, könnten Zölle von bis zu 25 Prozent auf europäische Autoimporte verhängt werden – eine Maßnahme, die Mercedes besonders hart treffen würde, da margenstarke Modelle wie die S-Klasse ausschließlich in Europa produziert werden.
Tiefrote Zahlen: Gewinneinbruch in der Kernsparte
Die wirtschaftliche Schieflage spiegelt sich auch in den aktuellen Zahlen wider. Der Vorsteuergewinn des Konzerns sank um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen ist die Kernsparte Mercedes-Benz Cars, deren Umsatzrendite auf 8,1 Prozent absackte.
Interessanterweise erwiesen sich die Mercedes-Transporter und Vans als deutlich profitabler. Sie erreichen höhere Renditen als die Pkw-Sparte – eine Entwicklung, die Källenius und sein Team künftig stärker berücksichtigen könnten.
Kehrtwende beim Antrieb: Doch kein schneller Abschied vom Verbrenner
Ein bemerkenswerter Strategiewechsel betrifft die Antriebstechnologie. Während Mercedes in den vergangenen Jahren offensiv auf elektrische Antriebe setzte, gibt es nun ein überraschendes Umdenken.
Bis 2027 sollen 36 neue Modelle auf den Markt kommen – die Hälfte davon mit Hybridantrieb oder Verbrennungsmotor. Damit verabschiedet sich Mercedes von der einst propagierten „Electric First“-Strategie.
„Die Transformation zur Elektromobilität wird länger dauern als vor fünf Jahren gedacht“, räumte Källenius ein.
Der Grund: Elektrofahrzeuge sind weniger profitabel als klassische Verbrenner.
Selbst der neue Mercedes CLA, das erste Modell auf der neuen Elektro-Plattform MB.EA, wird nicht ausschließlich elektrisch sein. Er kommt auch in Hybrid- und Verbrenner-Varianten auf den Markt – ein klares Signal, dass sich der Konzern absichert und flexibel auf die Nachfrage reagiert.
Mercedes bleibt in China – trotz sinkender Margen
Trotz der Schwierigkeiten in China will Mercedes nicht kampflos aufgeben.
„Wir ziehen uns nicht zurück. Wir werden um unsere Position in China kämpfen“, erklärte Källenius.
Dennoch bleibt die Lage angespannt: Der Gewinnbeitrag des chinesischen Gemeinschaftsunternehmens BBAC ist deutlich zurückgegangen. Die Umsatzrendite in China liegt nur noch bei 15 Prozent – ein alarmierender Wert für einen Markt, der lange als Garant für hohe Margen galt.

Besonders bei Elektrofahrzeugen hat Mercedes Probleme, mit den innovationsstarken chinesischen Herstellern mitzuhalten. Der Konzern betont jedoch, dass in der Oberklasse nach wie vor hohe Marktanteile gehalten werden – insbesondere bei Modellen über 200.000 Euro.
Neue Produktionsstrategie soll Risiken mindern
Um sich gegen geopolitische Risiken wie Strafzölle oder Handelskonflikte zu wappnen, will Mercedes die Produktion noch stärker lokalisieren.
Bis 2027 soll der Anteil der im jeweiligen Absatzmarkt produzierten Fahrzeuge von 60 auf 70 Prozent steigen. Das bedeutet, dass noch weniger Autos aus Deutschland exportiert werden – eine Entwicklung, die den Produktionsstandorten hierzulande weiter zusetzen dürfte.

