Prozess

Frau soll Millionen Euro gestohlen haben

07. Dezember 2021, 16:04 Uhr · Quelle: dpa
Wie stiehlt man mehrere Millionen Euro? In einem Prozess in Bremen kommen filmreife Tricks zutage. Doch vor Gericht steht nur eine Nebenfigur. Wo ist die Hauptfigur - die Frau, die den Coup durchzog?

Bremen (dpa) - Es geht um 8,2 Millionen Euro Beute. Diese Riesensumme soll die Mitarbeiterin einer Geldtransportfirma in Bremen gestohlen haben. Nur sind die Frau wie das Geld seit dem Coup am Freitag vor Pfingsten wie vom Erdboden verschluckt.

Das Landgericht Bremen rollt den spektakulären Fall seit Dienstag an einem Nebenstrang auf: Als mutmaßliche Komplizin muss sich eine 24-Jährige verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Beihilfe zu einem besonders schweren Fall von Diebstahl, Urkundenfälschung und andere Delikte vor.

Die Schlüsselfigur ist auf der Flucht

Die Angeklagte soll während der Tat mit der Hauptverdächtigen telefoniert haben. Auch habe sie bei der Vorbereitung der Flucht geholfen, die in die Türkei gehen sollte. Und sie habe einen Teil der Beute in der Familie der Gesuchten verteilen sollen, sagte die Staatsanwältin. Zur Belohnung habe die Angeklagte selbst 26 000 Euro erhalten. Sie schwieg am Dienstag zu den Vorwürfen. Die Verteidigerin sagte, ihre Mandantin wolle sich vorerst nicht äußern.

Denn es ging am ersten Verhandlungstag auch gar nicht um die jünger als 24 wirkende Angeklagte. Die Hauptrolle spielte die abwesende Schlüsselfigur, im Juristendeutsch die «gesondert Verfolgte». Wie hat sie die Millionen aus dem gut gesicherten Gebäude der Geldtransportfirma schaffen können? Der Diebstahl selbst müsse zuerst geklärt und bewertet werden, sagte ein Gerichtssprecher. Erst dann könne man die Beihilfe der Angeklagten genau einordnen.

Alles geschah am 21. Mai vor laufenden Überwachungskameras, aus denen das Gericht am ersten Verhandlungstag nur einzelne Bilder zeigte. Eigentlich hätte die mutmaßliche Diebin beim Abpacken von Banknoten neben ihren Kollegen arbeiten sollen, sagte der Prokurist der Firma als Zeuge aus. Sie behauptete aber, dass an dem Arbeitsplatz der Computer kaputt sei.

So erhielt die Frau einen unbeobachteten Platz. Dort zweigte sie - das sollen Videos zeigen - immer wieder Geldbündel ab und legte sie in einen eigens bereitgestellten Rollcontainer. Das Geld fehlte dann in den Kassetten für Geldautomaten oder Sicherheitstaschen mit größeren Summen in bar. Insgesamt 15 Banken und andere Kunden sollen demnach weniger Geld erhalten haben. Die Schadenssumme habe erst nach anderthalb Wochen errechnet werden können, sagte der Prokurist.

Zum Schichtende tarnte die mutmaßliche Diebin den Container mit alter Pappe, nahm noch einen zweiten Altpapiercontainer dazu und schob sie vor eine kleine Geldkofferschleuse. Der zuständige Kollege gab erst die eine, dann die andere Schleusentür frei. Draußen nahm die Frau das vermeintliche Altpapier wieder in Empfang. Sie verlud ihren Container in einen gemieteten Kleintransporter mit gestohlenen Kennzeichen. Am Steuer saß ein weiterer Mittäter, gegen den ermittelt wird. Und das war das Letzte, was von der Frau und dem Geld gesehen wurde.

«Sie hat sich nichts anmerken lassen», sagte im Zeugenstand der Unglücksrabe, der die Schleuse geöffnet hatte. Seine Kollegen hatten vorher schon ausgesagt, dass er und die Täterin oft geflirtet hätten. Auch bei dem Trick mit dem Altpapier wickelte sie ihn wohl um den Finger: Sie hinterließ in der Schleuse einen Zettel mit ihrer Telefonnummer und dem Versprechen eines gemeinsamen Abendessens.

Allerdings hatte dieser Zeuge auch Hinweise auf ein - wie er sagte - «schlechtes Umfeld» der Kollegin. Und er bestätigte auf Frage des Gerichts, dass sie ihm am Tag vor dem Coup Verletzungen gezeigt habe. Angeblich stammten die Prellungen und Quetschungen von einem Sturz. Doch der Zeuge schloss nicht aus, dass sie geschlagen worden sei.

Damit bleibt das Rätsel, ob die flüchtige Frau und ihre angeklagte Helferin den Diebstahl allein erdacht haben oder ob jemand anders dahinter steckt, etwa Organisierte Kriminalität. Der Kriminologe Christian Pfeifer sagte im Mai in einem RTL-Interview, dass eine Frau mit acht Millionen Euro im Untergrund in Lebensgefahr sei. Die Staatsanwaltschaft Bremen hält sich bei der Frage nach Mittätern bedeckt. Die Ermittlungen liefen, sagte ein Sprecher. Die europaweite Fahndung nach der Frau habe noch kein Ergebnis gebracht.

Vermischtes / Kriminalität / Prozesse / Deutschland / Bremen / Zusammenfassung
07.12.2021 · 16:04 Uhr
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