»Ein Wolf im Schafspelz«
Interview mit Michael Schmidt-Salomon zum Tod von Papst Franziskus

22. April 2025, 14:29 Uhr · Quelle: LifePR
Der Vorsitzende der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, kritisiert das Erbe von Papst Franziskus als ein sympathisches Gesicht hinter einer menschenverachtenden Ideologie, das den Rückschritt der Religion über Fortschritt und Gleichheit stellte. Der Artikel beleuchtet auch die möglichen zukünftigen Entwicklungen in der katholischen Kirche nach seinem Tod.

Berlin/Oberwesel, 22.04.2025 (lifePR) - Kaum war er tot, wurde der argentinische Papst von Staatsführern weltweit als »Anwalt der Menschlichkeit« gepriesen. Der Vorsitzende der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon wirft im hpd-Interview einen anderen Blick auf das Pontifikat des Mannes, der am 17. Dezember 1936 als Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires geboren wurde und am vergangenen Ostermontag als Papst Franziskus in der Vatikanstadt starb.

hpd: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Franziskus als ein »leuchtendes Zeichen der Hoffnung« und einen »glaubwürdigen Anwalt der Menschlichkeit«. Für die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war er »ein großer Hirte« und Freund. Selbst Linken-Politiker Jan van Aken lobte Franziskus dafür, dass er den »menschenverachtenden Charakter einer Gesellschaftsordnung« kritisiert habe, «die nicht an den Bedürfnissen der Menschen, sondern an der Maximierung des Profits ausgerichtet ist.« Wie sehen Sie den verstorbenen Papst und sein Vermächtnis?

Schmidt-Salomon: Jorge Mario Bergoglio hatte sicherlich menschlich angenehme Züge, die in der Chefetage des Vatikans eher selten sind. So trat er nicht nur äußerst bescheiden auf, sondern hatte zudem einen für Kirchenführer recht ungewöhnlichen Sinn für Humor. Aufgrund seiner Erfahrungen in argentinischen Armutsvierteln hatte er wohl echtes Mitgefühl für die Ausgestoßenen der Gesellschaft. Aber dies machte ihn keineswegs zu einem »Linken« oder gar einem Verteidiger der Menschenrechte! Denn Franziskus wollte nicht Reichtum, sondern Armut für alle. Seine Utopie war nicht das »Reich der Freiheit«, in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, sein Leben nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Er war vielmehr darauf aus, das Rad der Geschichte so weit zurückzudrehen, dass die Religion wieder an die erste Stelle tritt. Man könnte sein Pontifikat unter das Motto »Make Christianity great again« stellen – wohlwissend darum, dass die Religion besonders in solchen Regionen boomt, in denen der Wohlstand und das Bildungsniveau besonders gering sind. Aus der Sicht eines Gläubigen, dem das irdische Leben als bloße Durchgangsstation zum Jenseits erscheint, mag dies verständlich sein, doch alle anderen sollten einen weiten Bogen um eine derart rückwärtsgewandte Kapitalismuskritik machen.

Sie haben im Februar 2013, kurz nach dem Rücktritt von Benedikt XVI., in einem hpd-Gespräch prognostiziert, dass möglicherweise »ein Nichteuropäer zum Papst gewählt wird«, um die »massenhafte Abwanderung von Katholiken ins evangelikale Lager« zu stoppen. Hat Franziskus diese Mission erfüllt?

Ja, man hätte dafür kaum einen besseren Kandidaten finden können! Seine »Streetworker- Mentalität«, die sich u.a. darin ausdrückte, dass Franziskus sich eben nicht als absoluter Herrscher, als »Pontifex maximus« präsentierte, sondern als »Gleicher unter Gleichen«, der sich bei der Essensausgabe hinten anstellte, wurde in den europäischen Medien so interpretiert, dass dieser Papst außergewöhnlich progressiv und liberal sei. Tatsächlich jedoch war er ungewöhnlich reaktionär und evangelikal. Franziskus punktete im evangelikalen Lager nicht nur dadurch, dass er auf den traditionellen katholischen Prunk (etwa auf die roten Samtschuhe) verzichtete, sondern indem er die politische Agenda der Evangelikalen umsetzte. Kaum ein anderer Papst hat die weltweiten Kampagnen gegen den Schwangerschaftsabbruch so massiv unterstützt wie er, kaum einer so wenig gegen die massiven Angriffe auf Schwule, Lesben, Transpersonen aus den eigenen Reihen unternommen. Als etwa die nigerianische Bischofskonferenz noch härtere Strafen für Homosexuelle forderte, war dazu aus Rom keine substanzielle Kritik zu hören. Alles in allem war Franziskus eben kein »Anwalt der Menschlichkeit«, sondern vielmehr ein sympathisches, lächelndes Gesicht, das eine zutiefst menschenverachtende Ideologie kaschierte. Er war ein Wolf im Schafspelz.

Das zeigte sich auch 2015, als Franziskus den islamistischen Anschlag auf die französische Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« kommentierte…

In der Tat! Nur wenige Tage nach dem Attentat in Paris, das die Welt erschütterte, sagte Franziskus gegenüber Journalisten: »Wenn ein lieber Freund schlecht von meiner Mutter spricht, erwartet ihn ein Faustschlag, und das ist normal […] Man darf den Glauben der anderen nicht provozieren.« Eine solche Relativierung des religiösen Terrors hätte eigentlich einen Riss in der katholischen Gemeinde erzeugen müssen. Dass diese verheerenden Sätze in kaum einem der ehrwürdigen Nachrufe der letzten Tage erwähnt wurden, ist, wie ich finde, eine schwerwiegende journalistische Fehlleistung…

Dennoch hat die Bewegung »Kirche von unten« gehofft, dass Franziskus die Rolle der Frau in der Kirche aufwerten und sich für die Gleichberechtigung homosexueller Menschen aussprechen würde. Waren diese Hoffnungen von vornherein auf Sand gebaut?

Ja. Ich habe schon 2013, vor dem Amtsantritt von Franziskus, gesagt, dass solche Hoffnungen ähnlich unbegründet sind wie der schiitische Glaube, dass der »verborgene 12. Iman« in Bälde aus einem vertrockneten Brunnen klettern und die Weltherrschaft übernehmen wird. Zwar war die katholische Kirche niemals eine Agentur zur Verbreitung liberaler, aufklärerischer Werte, aber unter dem Pontifikat des argentinischen Papstes hat sie sich noch sehr viel weiter vom europäischen Wertekanon entfernt. Man kann dies sehr gut an den USA beobachten. Traditionell standen dort Katholiken unter dem Verdacht, besonders »liberal« oder gar »sozialistisch« zu sein. Spätestens als sich US-Außenminister Marco Rubio mit einem großen katholischen Aschenkreuz vor der Weltöffentlichkeit präsentierte, war klar, dass diese Zeiten vorbei sind. Die Trump-Administration stützt sich heute nicht zuletzt auf das politisch-religiöse Bündnis, das zwischen Evangelikalen und rechten Katholiken in den letzten Jahren geschlossen wurde. Insofern war es durchaus symptomatisch für das Pontifikat von Franziskus, dass er am Ostersonntag, wenige Stunden vor seinem Tod, den 2019 zum Katholizismus konvertierten US-Vizepräsidenten J.D. Vance als einen seiner letzten Gäste im Vatikan empfangen hat.

Wie wird es nun weitergehen? Wer wird Nachfolger von Franziskus auf dem Papstthron?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. 2013, nach dem Rücktritt Ratzingers, war ich ziemlich sicher, dass ein Vertreter aus Lateinamerika auf den Papstthron kommt, um den dortigen Siegeszug der Evangelikalen zu stoppen. Nun aber stehen den Kardinälen verschiedene Optionen offen: Sie könnten einen Vertreter aus den Regionen wählen, in denen der Katholizismus besonders stark wächst, also aus Asien und vor allem Afrika, wo in den letzten Jahrzehnten nicht nur Homosexuelle, sondern auch vermeintliche »Hexen« verfolgt wurden. Sie könnten aber auch einen Kandidaten aus den USA zum Papst küren, um Trumps Kampf gegen »antichristliche Voreingenommenheit« zu unterstützen. Nicht auszuschließen ist, dass sie sich nach Franziskus doch noch einmal für einen europäischen Kardinal entscheiden, um dem Niedergang der hier einst so mächtigen katholischen Kirche entgegenzuwirken. Doch selbst, wenn dies geschehen sollte, wird es an dem langfristigen Trend nichts ändern. Denn die Zukunft des Christentums liegt eindeutig außerhalb Europas. Wir müssen daher damit rechnen, dass wir von dort aus in den kommenden Jahren zunehmend mit konservativen bis erzreaktionären Haltungen konfrontiert werden, die in unseren Breitengraden längst als überwunden galten. Und wir können nur hoffen, dass das säkulare Europa diesem zusätzlichen Druck wird standhalten können.

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Dieses Interview ist am 22.4.2025, am Tag nach dem Tod von Papst Franziskus, zunächst auf dem Portal des Humanistischen Pressdienstes (hpd) erschienen.

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[lifepr.de] · 22.04.2025 · 14:29 Uhr
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