Aviva fordert Direct Line heraus: Millionen-Deal in der britischen Versicherungslandschaft
Nach einem turbulenten Start in die Woche als Konkurrenten haben sich Aviva und Direct Line zum Wochenende hin als potenzielle Fusionspartner entpuppt. Nach drei Angeboten von Aviva, von denen das erste erst letzte Woche öffentlich bekannt wurde, einigte sich der Vorstand von Direct Line am Donnerstagabend auf eine Übernahme im Wert von 3,6 Milliarden Pfund durch den größeren Rivalen.
Sollte das Angebot von den Aktionären genehmigt werden, entsteht ein Versicherungskonzern mit einem Wert von 16 Milliarden Pfund, der den britischen Kfz- und Hausversicherungsmarkt mit Anteilen von über 20 bzw. 15 Prozent dominieren wird. Für Aviva, unter der Leitung von CEO Dame Amanda Blanc, ist dies ein bedeutender Erfolg. Blanc hatte zu Beginn ihrer Amtszeit 2020 angekündigt, zügig ihre strategischen Ziele für die FTSE-100-Gruppe zu erreichen, was sie bereits bewiesen hatte, indem sie innerhalb eines Jahres acht nicht-zentrale Unternehmen veräußerte.
Diese Direktheit prägte auch die Annäherung an Direct Line – ein Prozess, der nur acht Tage dauerte. Diese Geschwindigkeit ist bezeichnend für Blancs Herangehensweise, bemerkte ein enger Vertrauter des Deals. Gleiches Tempo wurde bei den Verhandlungen beibehalten, die in einem beschleunigten Zeitrahmen einen endgültigen Einigungspreis von 275 Pence je Aktie festlegten.
Das Ende der Unabhängigkeit für Direct Line, das 1985 gegründet wurde und seit 2012 eigenständig operiert, löst gemischte Reaktionen aus. Die Übernahmepläne von Aviva werfen Fragen zur Zukunft von Adam Winslow auf, dem ehemaligen Aviva-Manager, der im März die Führung bei Direct Line übernommen hatte. Winslow kämpfte mit einem schwierigen Marktumfeld und plante strategische Kosteneinsparungen und eine Unternehmenswende.
Aviva zeigte ursprünglich auch Interesse an einem möglichen Deal mit der britischen Versicherungsgesellschaft Esure, das jedoch zugunsten von Direct Line nachließ. Einige Anleger zeigten sich erleichtert über das verbesserte Angebot von 275 Pence je Aktie, nachdem vorherige Angebote von 250 und 261 Pence als unzureichend angesehen wurden.
Trotz des Einkaufsfiebers bleiben potenzielle Hürden bestehen. Regulierungsbehörden wie die Competition and Markets Authority und die Bank of England's Prudential Regulation Authority könnten den Deal noch unter die Lupe nehmen. Auch die Integration der Teams könnte herausfordernd sein, angesichts der angespannten Beziehung zwischen Winslow und Blanc, seiner ehemaligen Chefin.
Sollte der Deal jedoch zustande kommen, könnte er für Winslow eine beträchtliche finanzielle Belohnung in Form von 1,1 Millionen Pfund in bar und 1,2 Millionen Pfund in Aviva-Aktien mit sich bringen.
Von beiden Unternehmen wurde bisher kein Kommentar abgegeben. Doch die Wortführung und schnelle Handlung von Aviva wurden bereits von Analysten als meisterhaft bezeichnet. Mit der Deadline am Heiligen Abend hoffen alle Beteiligten, dass der Deal ebenso flüssig abgeschlossen wird, wie er begann.

