Trends der Zukunft

Strom gegen Stottern: Patient spricht dank Hirnschrittmacher flüssiger

15. Oktober 2025, 16:07 Uhr · Quelle: Trends der Zukunft
Ein Patient mit Stottern spricht flüssiger nach Hirnschrittmacher-Implantation. Forscher prüfen nun diese Methode in Studien für nachhaltige Effekte.

Ein Team der Universitätsmedizin Frankfurt und des Universitätsklinikums Münster berichtet von einem ersten erfolgreichen Einsatz tiefer Hirnstimulation zur Linderung eines schweren Entwicklungsstotterns. In einem dokumentierten Fall verbesserte sich der Redefluss eines Patienten nach Implantation einer Elektrode im linken Thalamus und anschließender Aktivierung der Stimulation deutlich; die beteiligten Forscher:innen planen nun kontrollierte Studien, um die Beobachtung an weiteren Betroffenen zu prüfen.

Symbolbild

Stimulation greift ins neuronale Sprechnetz ein

Die verwendete Methode ähnelt Ansätzen, die bereits bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden: Feine Elektroden werden in tiefere Hirnregionen eingebracht und geben dort schwache elektrische Impulse ab, um lokale und übergeordnete Aktivitätsmuster zu beeinflussen. Zielregion in dem beschriebenen Fall war der linke Thalamus, eine Schaltstelle, die unter anderem Verbindungen zwischen Hör- und motorischen Spracharealen vermittelt. Bei vielen Menschen mit Stottern scheint die Koordination dieser Netzwerke gestört: Die linke Hemisphäre verarbeitet schnelle Folgen von Sprachsignalen schlechter, sodass Funktionen an die rechte Hemisphäre ausgelagert werden, die mit den zeitlich dicht aufeinanderfolgenden Signalen weniger effektiv umgeht. Durch die elektrische Modulation soll der Informationsfluss stabilisiert und die Synchronisation zwischen den relevanten Arealen verbessert werden.

Nach Aktivierung der Stimulation verringerte sich die Häufigkeit der Stotterereignisse über mehrere Monate signifikant; die berichtete Reduktion lag im mittleren Bereich, außerdem wurden die Episoden insgesamt weniger intensiv. Anders als bei manchen Bewegungsstörungen, wo eine Ein- oder Ausschaltung der Stimulation sofort sichtbare Effekte hervorruft, zeigte sich beim Sprechen ein verzögertes und nicht vollständig reversibles Verhalten: Ein Abschalten der Impulse führte nicht unmittelbar zu einem Rückfall auf das Ausgangsniveau, vielmehr war der Verlauf langsamer. Die Forschenden deuten dies so, dass neben der unmittelbaren neuronalen Modulation Lernprozesse eine Rolle spielen — die Erfahrung flüssiger Sprache unter Stimulation könnte dem Gehirn neue funktionale Wege eröffnet haben, die auch ohne permanente Impulsgebung teilweise erhalten blieben. In den Worten einer der beteiligten Wissenschaftler:innen hat der Patient durch die veränderte Erfahrung „Wegfindungen“ etabliert, die das Stottern vermindern.

Noch keine generelle Behandlungsmethode für Stottern

Der Fall eröffnet die Perspektive, Stottern konsequenter als Folge veränderter Netzwerkdynamik im Gehirn zu verstehen und gezielt zu beeinflussen. Dennoch handelt es sich bisher um eine Einzelfallbeobachtung, die keine allgemeinen Therapieempfehlungen erlaubt. Klinische Studien mit mehreren Teilnehmer:innen sind nötig, um Wirksamkeit, optimale Zielregionen, Stimulationsparameter und mögliche Prädiktoren für den Behandlungserfolg systematisch zu untersuchen. Gleichzeitig sind die mit einem stereotaktischen Eingriff verbundenen Risiken nicht zu verkennen: Jede Hirnoperation kann Blutungen, Infektionen oder funktionelle Ausfälle nach sich ziehen; außerdem sind neben lokalen Schäden auch unerwünschte Nebenwirkungen durch die Stimulation möglich, etwa Veränderungen in Wahrnehmung oder motorischer Kontrolle, abhängig von der genauen Lage der Elektroden. Diese Risiken müssen gegen den individuellen Leidensdruck und gegen Alternativen, einschließlich nichtinvasiver Methoden, abgewogen werden.

Für Betroffene stellt sich damit eine komplexe Abwägung: In Fällen mit stark einschränkendem Stottern mag ein invasiver Eingriff gerechtfertigt erscheinen, wenn dadurch die Lebensqualität deutlich steigt; in anderen Fällen dürften konservative oder nichtinvasive Therapien vorzuziehen sein. Entscheidend wird sein, in klinischen Studien klare Einschlusskriterien, standardisierte Outcome-Maße und Langzeitbeobachtungen zu etablieren, damit sich belastbare Aussagen zur Stabilität eines möglichen Behandlungserfolgs treffen lassen.
Fazit

Der beschriebene Pilotversuch ist ein vielversprechender wissenschaftlicher Prototyp, der zeigt, dass Stottern nicht allein psychologisch, sondern als Ausdruck veränderter neuronaler Netzwerke angegangen werden kann. Ob daraus eine breite, sichere Therapieoption wird, hängt von den Ergebnissen künftig durchgeführter, sorgfältig kontrollierter Studien ab. Bis dahin bleibt der Befund ein Anlass zur Hoffnung, aber ebenso zu Vorsicht: Mögliches therapeutisches Potenzial steht verantwortungsbewusster Prüfung und individueller Risikoabwägung gegenüber.

via Goethe-Universität Frankfurt am Main

Wissenschaft / Medizin / Stottern / Hirnstimulation / Neurologie
[trendsderzukunft.de] · 15.10.2025 · 16:07 Uhr
[0 Kommentare]
Afrikas werden zu Kohlenstoffschleudern: Wie ein ganzer Kontinent seine CO₂-Bilanz verändert
Afrikas Wälder befinden sich an einem kritischen Wendepunkt. Jahrzehntelang galten sie als zuverlässige Kohlenstoffsenken: dichte Regenwälder, weitläufige Feuchtgebiete und ausgedehnte Baumflächen entzogen der Atmosphäre CO₂ und banden den Kohlenstoff in Holz, Laub und Böden. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich dieses Bild verändert. Satellitendaten, verstärkte Feldbeobachtungen und […] (00)
vor 2 Stunden
Lars Klingbeil am 04.12.2025
Berlin - Die von der Bundesregierung geplante Frühstart-Rente soll ab Januar 2027 an den Start gehen, aber für Kinder des Geburtsjahrgangs 2020 schon rückwirkend zum 1. Januar 2026 ausgezahlt werden. Das sehen die Eckpunkte für das Koalitionsvorhaben vor, die Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Freitag in die Abstimmung mit den anderen Ressorts gegeben hat und über die das "Handelsblatt" […] (00)
vor 15 Minuten
Netflix übernimmt Warner Bros.
Los Angeles (dpa) - Beben in Hollywood: Der Streaming-Riese Netflix setzt zur Übernahme des Hollywood-Urgesteins Warner Brothers an. Netflix will sich mit dem Dutzende Milliarden Dollar schweren Deal unter anderem Batman, Superman und Harry Potter ins Haus holen - und bekommt zugleich den Streamingdienst HBO Max mit Serien wie «Game of Thrones» und «Die Sopranos». Für den Abschluss der Übernahme […] (00)
vor 28 Minuten
Künstliche Intelligenz Nachrichten
Künstliche Intelligenz (KI) ist eine revolutionäre Innovation, die unsere Welt bereits tiefgreifend verändert hat und dies auch weiterhin tut. Fundamentale Veränderungen sind in allen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar – von der industriellen Produktion und dem Finanzwesen über E-Commerce, Bildung und Wissenschaft, Gesundheitswesen, Wissensmanagement und Gütertransport bis hin zu Kultur, Kunst […] (00)
vor 5 Minuten
Paramount+ verlängert «Landman» um dritte Staffel
Die Verlängerung des Ölindustrie-Dramas kommt nach den ersten drei Folgen. Die neuen Geschichten werden wohl noch warten müssen. Paramount+ hat die Serie Landman vorzeitig um eine dritte Staffel verlängert. Die Nachricht kommt, während Staffel zwei erst drei Episoden veröffentlicht hat, Folge vier erscheint am 7. Dezember. Das Format von Taylor Sheridan entwickelt sich damit weiter zu einem der Eckpfeiler des Paramount+-Originalportfolios. […] (00)
vor 1 Stunde
Fußball-WM 2026 - Auslosung Vorrunde
Washington (dpa) - Co-Gastgeber Mexiko und Südafrika bestreiten im kommenden Jahr das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Das ergab die Auslosung der zwölf Vorrunden-Gruppen im John F. Kennedy Center for the Performing Arts in Washington. Die WM wird 2026 erstmals mit 48 Mannschaften ausgetragen und findet in den USA, Kanada und Mexiko statt. Die Mexikaner waren für das Eröffnungsspiel […] (00)
vor 12 Minuten
bitcoin, crypto, finance, coins, money, currency, cryptocurrency, blockchain, investment, closeup, bitcoin, crypto, crypto, crypto, crypto, crypto
Große Inhaber kaufen DOGE während eines Preisrückgangs Zwischen dem 2. und 4. Dezember erhöhten Wallets, die zwischen 1 Million und 100 Millionen DOGE halten, ihren Gesamtbestand um etwa 480 Millionen Token, basierend auf Daten von Santiment, die von Analyst Ali Martinez geteilt wurden. Dadurch stiegen die gesamten Wal-Bestände von etwa 28 Milliarden auf 28,48 Milliarden DOGE in nur zwei Tagen. […] (00)
vor 23 Minuten
Startschuss für Bohrgenehmigungen: Zündet hier auch bald die erste Kursrakete?
Lüdenscheid, 05.12.2025 (lifePR) - Future Fuels Inc. (ISIN: CA36118K1084 | WKN: A40TUW). Future Fuels oder das Unternehmen, freut sich bekannt zu geben, dass es offiziell das Genehmigungsverfahren für Bohrungen in seinem zu 100 % unternehmenseigenen Uranprojekt “Hornby Basin” eingeleitet hat, das sich etwa 95 Kilometer südwestlich von Kugluktuk (Nunavut) befindet. Der wichtigste Vermögenswert […] (00)
vor 1 Stunde
 
Michael Bublé
(BANG) - Michael Bublé wünscht sich, dass die Menschen schon im Juni Weihnachtssongs hören. Der […] (01)
Ed Sheeran hat 'noch eine große Tour' in sich, bevor er sesshaft wird.
(BANG) - Ed Sheeran hat "noch eine große Tour" in sich, bevor er sesshaft wird. Der 34-jährige […] (00)
Glen Powell
(BANG) - Glen Powell trifft sich "unverbindlich" mit Michelle Randolph. Der US-Schauspieler […] (01)
Senioren
Berlin (dpa) - Um 13.21 ist es vollbracht. Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow hat die […] (09)
Shutdown kostet Delta 200 Millionen Dollar
Ein politischer Stillstand in Washington genügte, um das operative Herz des US-Luftverkehrs zu […] (00)
PBS kündigt «Black and Jewish America: An Interwoven History» an
Henry Louis Gates Jr. beleuchtet ab dem 3. Februar 2026 die vielschichtige Beziehung beider Communities. […] (00)
Tom Felton kann kaum glauben, dass er nach unzähligen Blondierungen für seine Rolle als Draco Malfoy überhaupt noch Haare auf dem Kopf hat.
(BANG) - Tom Felton kann kaum glauben, dass er nach unzähligen Blondierungen für seine Rolle […] (00)
WM-Auslosung
Washington (dpa) - Der Blick auf die Wetterkarte für Washington sollte Julian Nagelsmann […] (04)
 
 
Suchbegriff