EZB balanciert zwischen Zinssenkungen und Eurostärke
Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor der Frage, wie sie auf die gegenwärtige Stärke des Euro reagieren sollte. Trotz loser Diskussionen um Zinssenkungen möchte die Zentralbank eine stärkere Euro-Aufwertung vermeiden, gerade angesichts der Herausforderungen, die die Eurozone im kommenden Jahr mit schwachem Wachstum und Handelsrisiken erwarten könnte.
Der Euro erscheint derzeit als zu stark für die Konjunktur. In diesem Umfeld könnte die EZB dazu neigen, eine weitere Absenkung der Zinsen um einen halben Prozentpunkt in Erwägung zu ziehen. In bevorstehenden Sitzungen wird für die EZB eine Senkung um 25 Basispunkte allgemein erwartet, was die vierte derartige Maßnahme in diesem Jahr wäre.
Die Meinung unter Ökonomen ist, dass die EZB mit der Inflation gut umgeht und sich einem neutralen Zinssatz von etwa 2% annähern sollte, sofern die Inflation ihren Zielwerten entspricht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde skizzierte diese Vorstellung jüngst im Europäischen Parlament. Dabei wird intensiv darüber diskutiert, ob größere und schnellere Zinssenkungen sinnvoll wären, um die von Deutschland angeführte konjunkturelle Flaute zu überwinden.
Sollten sich die gemächlicheren Stimmen durchsetzen, könnte eine vierteljährliche Zinssenkung bis Mitte 2025 erfolgen, um den aktuellen Einlagensatz von 3,25% in Richtung des neutralen Werts zu bewegen. Dieser Anpassung stehen jedoch die weniger umfangreichen Zinssenkungen der US-amerikanischen Federal Reserve gegenüber. Strategen weisen darauf hin, dass der Euro/Dollar-Wechselkurs diese transatlantische Divergenz bereits größtenteils eingepreist hat, was sich in einem Kursrückgang des Euros um etwa 5% in den letzten zwei Monaten widerspiegelt.
Morgan Stanley hat darauf hingewiesen, dass unbeabsichtigte Folgen eines allzu behutsamen Kurses der EZB die Euro-Währung erneut beeinflussen könnten. Ein festerer Euro könnte in Zeiten fiskalischer Spannungen, wie den schwelenden Handelskonflikten mit China und potenziellen US-Zöllen unter Präsident Donald Trump, kontraindiziert sein. Eine schwächere Währung könnte dem exportabhängigen Wirtschaftsraum der Eurozone somit helfen, seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Wenngleich Lohnwachstum die EZB weiterhin beschäftigt, könnte der Abwärtstrend bei den Produzentenpreisen den Spielraum für Lockerungen erweitern, um Inflation zu stabilisieren. Letztlich bleibt die Herausforderung, ob ein signifikanter Euro-Verfall den regionalen Konsens beeinflussen könnte, insbesondere angesichts angespannter politischer Situationen in Deutschland und Frankreich.

