Der Elite-Trick mit den ELTIFs – Privatanleger dürfen jetzt in Private Equity spielen
Es ist die vielleicht größte Demokratisierungsrhetorik, die die Finanzindustrie seit Jahren bemüht. Private Equity für alle. Infrastruktur-Deals. Sogar Private Debt. Produkte, die früher nur über Family Offices, Private-Banking-Abteilungen und diskrete Einladungsgespräche liefen, sollen dank einer EU-Regelung jetzt für jeden zugänglich sein. Einstieg ab 1 Euro, wirft etwa Neobroker Trade Republic auf Plakate. Keine Mindestticketgröße, kein Netzwerk, keine Ledersessel.
ELTIF lautet das Zauberwort. European Long Term Investment Fund. Die Finanzbranche nennt sie hinter vorgehaltener Hand „das Private-Equity-Einsteigerprodukt für Retail“, Kritiker eher „die Verpackungsmaschine für illiquide Assets“.
Und plötzlich will jeder dabei sein.
Das Versprechen: Zugang zur Investment-Elite
Einer der lautesten Trommler für das neue Produkt heißt Robin Binder. 31 Jahre alt, Gründer des Berliner Fintechs Nao. In seinen Werbevideos duzt er die Zielgruppe, als wäre man gemeinsam auf der Schulhofbank sitzen geblieben: „Mit Nao investierst du wie die oberen ein Prozent.“
Binder inszeniert sich als Anti-Establishment-Banker. Sein Büro in Berlin-Mitte sieht jedoch aus wie aus dem Vorstandsetage-Katalog: Walnuss-Schreibtisch, grünes Vinyl, Egon-Eiermann-Design. In den Regalen stehen Designbände neben Karl-May-Abenteuern und dem „Fintech Germany Award“, den Nao 2024 abgeräumt hat.
Was er verkauft: Exklusivität ohne Eintrittsbarrieren.
Private Equity ab einem Euro.
Private Debt ab einem Euro.
Infrastruktur ab einem Euro.
Klingt nach Robin Hood für Kapitalmärkte.
Die Realität: Illiquide Produkte, lange Laufzeiten, hohe Gebühren
Was in der Werbung wie „Beteiligung an den besten Deals der Welt“ klingt, hat einen Haken. Oder drei.
- Anleger kommen frühestens nach 5–10 Jahren wieder an ihr Geld.
- Die Gebühren sind hoch – zum Teil auf Hedgefonds-Niveau.
- Die Bewertung der Beteiligungen ist oft intransparent.
ELTIFs müssen zwar reguliert sein – aber sie investieren in alles, was nicht börsennotiert ist: Start-ups, Mittelständler, Infrastrukturfinanzierungen. Wer einsteigt, darf lange nicht mehr raus. Für Banken und Asset Manager sind ELTIFs dagegen attraktiv: Sie liefern Kapital, das sich nicht täglich zurückfordern lässt.
Ein nicht börsennotiertes Unternehmen kann schwanken, ohne dass Anleger es merken. „Bewertungen im Dunkeln“ nennen Private-Equity-Veteranen das.
Warum Neobroker ELTIFs lieben – und Kleinanleger vorsichtig sein sollten
Kaum ein Produkt lässt sich emotional leichter verkaufen: „Zugang zu Top-Deals“.
Doch Anleger sollten auf das Kleingedruckte achten.
• Wie schnell komme ich wieder an mein Geld?
• Wie hoch sind die Performance-Fees?
• Habe ich Transparenz über die gehaltenen Beteiligungen?
Viele Anleger verwechseln Exklusivität mit Qualität.
Fazit: Zugang ja – aber nicht zum Nulltarif
ELTIFs sind ein Wendepunkt. Sie öffnen Türen in eine Welt, aus der Kleinanleger jahrzehntelang ausgeschlossen waren. Gleichzeitig bringen sie Risiken in einen Markt, der diese Produkte kaum versteht.
Ist das der Elite-Trick? Oder eine echte Demokratisierung?
Das hängt am Ende nicht an den Brokern. Sondern an den Anlegern.
Wer versteht, worin er investiert – und das Geld wirklich lange entbehren kann – bekommt Zugang zu einer Anlageklasse, die institutionelle Investoren seit Jahrzehnten reich macht.
Wer nur ein Euro-Ticket nach „Private-Equity-Feeling“ sucht, sollte es besser lassen.


