Schutz fürs Auge: Wie ein Impfstoff Sehverlust verhindern könnte
Ein neuer Ansatz zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) sorgt derzeit in der Forschung für Aufmerksamkeit. Besonders im Fokus steht die feuchte Form der Erkrankung, die durch krankhafte Gefäßneubildungen in der Netzhaut entsteht und unbehandelt zu Sehverlust führt. Ein mRNA-Impfstoff, der in Tierversuchen erprobt wurde, könnte diese Gefäßneubildung hemmen und damit eine Ergänzung oder Alternative zu bestehenden Therapien darstellen.

Impfstoff setzt auf körperliche Immunantwort
Die altersbedingte Makuladegeneration gehört zu den häufigsten Ursachen für schwere Sehbehinderungen im höheren Lebensalter. Vor allem die feuchte Form der AMD schreitet oft rasch voran, da sich unter der Netzhaut neue Blutgefäße bilden, die leicht undicht werden und dadurch Schäden im zentralen Sehbereich verursachen. Bislang stehen dafür hauptsächlich sogenannte Anti-VEGF-Therapien zur Verfügung, die in regelmäßigen Abständen direkt in den Glaskörper des Auges injiziert werden müssen. Diese Behandlung kann das Fortschreiten verlangsamen, ist jedoch für Patient:innen belastend und mit Risiken verbunden.
Der neue Impfstoff setzt an einem anderen Punkt an. Sein Wirkprinzip besteht darin, eine Immunreaktion gegen das Protein LRG1 (leucinreiches α-2-Glykoprotein 1) auszulösen. Dieses Protein ist bei Patient:innen mit feuchter AMD vermehrt vorhanden und gilt als ein Schlüsselfaktor für die Ausbildung krankhafter Gefäße. Der Impfstoff enthält mRNA, die den Körper anregt, Antikörper gegen LRG1 zu produzieren. Dadurch wird die Wirkung des Proteins blockiert und das unkontrollierte Wachstum der Blutgefäße gehemmt. Anders als klassische Impfungen gegen Viren oder Bakterien richtet sich die Immunantwort hier gegen ein körpereigenes Molekül, dessen Überaktivität krankhafte Folgen hat.
Vielversprechende Tierversuche
Die Wirksamkeit des Impfstoffs wurde in verschiedenen Mausmodellen untersucht. Dabei konnte die Gefäßneubildung sowohl in einem laserinduzierten Modell als auch in einem Modell mit spontaner Gefäßveränderung deutlich reduziert werden. Die Tiere erhielten die Impfung intramuskulär, was den Vorteil bietet, dass keine direkte Injektion ins Auge erforderlich ist. Bereits eine Woche nach der Verabreichung zeigte sich in den Experimenten eine Abnahme der Gefäßveränderungen und des Austritts von Flüssigkeit in das umliegende Gewebe.
In Zahlen ausgedrückt sank die Austrittsflüssigkeit aus den krankhaften Gefäßen um bis zu 85 Prozent, die Größe der betroffenen Läsionen nahm um 82 Prozent ab. Auch in dem Modell mit spontaner Gefäßbildung konnte nach mehreren Wochen eine deutliche Reduktion der Schädigungen festgestellt werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs in einem ähnlichen Bereich liegt wie bei etablierten Anti-VEGF-Therapien. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Art der Anwendung. „Unlike conventional treatments requiring repeated intravitreal injections, this vaccine may provide long-term benefits with a single intramuscular dose“, erklärte Studienleiter Satoshi Uchida.
Von großer Bedeutung ist zudem die Frage nach der Sicherheit. In den Tierversuchen fanden sich keine Anzeichen dafür, dass normale Gefäßbildungsprozesse gestört wurden oder dass es zu Schäden an gesundem Gewebe kam. Auch Hinweise auf unerwünschte Immunreaktionen in anderen Organen wurden nicht beobachtet. Damit liegt zumindest im präklinischen Stadium die Vermutung nahe, dass das Konzept verträglich sein könnte.
Behandlung einer verbreiteten Augenkrankheit
Der Ansatz könnte langfristig die Behandlung von Patient:innen mit feuchter AMD erleichtern. Die derzeit üblichen Augeninjektionen sind für viele Betroffene unangenehm und führen nicht selten dazu, dass Behandlungen aus Angst oder Unwohlsein hinausgezögert oder abgebrochen werden. Ein Impfstoff, der intramuskulär verabreicht wird und möglicherweise eine längerfristige Wirkung entfaltet, könnte die Therapietreue verbessern und die Belastung im Alltag deutlich verringern.
Allerdings sind die bisherigen Ergebnisse auf präklinische Studien beschränkt. Ob der Ansatz beim Menschen die gleiche Wirksamkeit und Sicherheit zeigt, bleibt offen. Das Immunsystem von Menschen reagiert nicht immer so wie das von Mäusen, und die Möglichkeit unerwarteter Nebenwirkungen kann erst in klinischen Studien zuverlässig beurteilt werden. Zudem ist noch ungeklärt, wie lange der Schutz nach einer Impfung anhält und ob Auffrischungen notwendig sein werden. Auch die Kombination mit bestehenden Verfahren, etwa Anti-VEGF-Medikamenten, wird ein wichtiges Thema für künftige Untersuchungen sein.
Die aktuelle Forschung zeigt dennoch, dass mRNA-Technologie über den Bereich von Infektionskrankheiten und Krebs hinaus auch bei chronischen Augenerkrankungen neue Perspektiven eröffnen könnte. Ob dieser Impfstoff tatsächlich den Weg in die klinische Praxis findet, hängt von umfangreichen Folgestudien ab. Die präklinischen Ergebnisse legen jedoch nahe, dass sich daraus ein bedeutender Fortschritt in der Behandlung der feuchten Makuladegeneration entwickeln könnte.

