PDD profitiert vom radikalen Preiskurs
PDD Holdings, die Mutter des Billigmarktplatzes Temu und der chinesischen Handelsplattform Pinduoduo, trotzt dem trüben Konsumklima in China. Während der Binnenmarkt seit Monaten unter Unsicherheit, sinkenden Einkommenserwartungen und wachsender Arbeitsplatzangst leidet, gelingt es dem Konzern, Umsatz und Gewinn spürbar zu steigern. Für ein Umfeld, in dem selbst große Handelsgruppen wie Alibaba und JD.com mit Stagnation kämpfen, ist das ein bemerkenswertes Signal.
Der Umsatz von PDD stieg im dritten Quartal um neun Prozent auf 108,28 Milliarden Yuan. Der bereinigte Nettogewinn wuchs auf 31,38 Milliarden Yuan, nach 27,46 Milliarden im Vorjahr. Diese Zahlen ergeben ein Bild, das im chinesischen E-Commerce längst nicht mehr selbstverständlich ist. Die Konsumenten sind preissensibel wie selten zuvor. Markenloyalität schwindet, während Rabattschlachten wieder zur zentralen Verkaufsstrategie werden. Genau hier setzt PDD an – mit einer Mischung aus extrem niedrigen Preisen, aggressiven Rabattstrukturen und hoher Frequenz im Produktangebot.
Dass dieser Ansatz in einem geschwächten Markt wirkt, überrascht nicht. Preisaktionen sprechen jene Zielgruppen an, die unter konjunkturellen Belastungen am stärksten leiden: junge Berufstätige mit stagnierenden Einkommen, Arbeiter in Industrien mit Überkapazitäten und Teile der städtischen Mittelschicht, die Ausgaben seit Monaten zurückfahren. PDD bedient deren Wunsch nach maximaler Ersparnis, selbst wenn die Gewinnmargen der Händler unter Druck geraten. Für die Plattform zählt vor allem Volumen, Frequenz und Marktanteil.
Pinduoduo hat dieses Prinzip früh perfektioniert. Die Plattform verbindet Discountpreise mit einem spielerischen Einkaufserlebnis und einer hocheffizienten Logistik. Temu überträgt dieses Modell inzwischen in internationale Märkte, vor allem in die USA und die EU. Die globale Expansion hat PDD außerhalb Chinas enorme Sichtbarkeit eingebracht – und eine debattenträchtige Kontroverse um Preisfairness, Arbeitsbedingungen und Wettbewerbsverzerrungen ausgelöst. Wirtschaftlich jedoch bleibt der Effekt eindeutig: Temu verschafft dem Mutterkonzern einen Wachstumsmotor, der weniger anfällig ist für die konjunkturellen Schwächen im chinesischen Inland.
Der Anstieg beim Nettogewinn deutet auf eine optimierte Kostenstruktur. PDD betreibt seine Plattform mit einer Effizienz, die im globalen E-Commerce ihresgleichen sucht. Die Fixkosten sind niedrig, das Händlernetzwerk breit, und große Teile der Wertschöpfung beruhen auf automatisierten Prozessen. Das erlaubt Preisoffensiven, die selbst Marktführer wie Alibaba unter Druck setzen. Dass die Aktie im vorbörslichen Handel in den USA leicht zulegte, ist daher nicht überraschend. PDD gelingt es, Wachstum zu liefern, wo andere an Tempo verlieren.
Der Kern des Erfolgs bleibt dennoch riskant. Ein Geschäftsmodell, das sich im Wesentlichen über aggressive Preisstrategien definiert, steht auf einem fragilen Fundament. Rabatte sind wirksam, aber sie fördern weder Markenbindung noch nachhaltige Margen. Schon mittelfristig stellt sich die Frage, wie sehr der Konzern von der aktuellen Makrolage profitiert – und was passiert, wenn diese sich ändert. Sollte die chinesische Konjunktur wieder an Stärke gewinnen, könnte ein Teil der Kunden zu höherwertigen Angeboten zurückkehren.
Hinzu kommt, dass das internationale Wachstum von Temu zunehmend politisch begleitet wird. In den USA und Europa prüfen Regulierer mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch extrem niedrige Preise, erleichterte Kleinsendungsregime und steuerliche Ausnahmeregeln. Temu verdankt seine globale Präsenz nicht nur einem geschickten Geschäftsmodell, sondern auch einem System, das internationale Lieferketten günstiger macht als viele regionale Wettbewerber. Dass diese strukturellen Vorteile politisch zur Debatte stehen, gehört zu den größten strategischen Risiken des Konzerns.
Der Binnenmarkt birgt zusätzlich Unsicherheiten. Die chinesische Regierung erwartet von Technologieunternehmen zunehmend ein „strategisch konformes Verhalten“, das neben wirtschaftlicher Effizienz auch soziale Stabilität berücksichtigt. Plattformen, die primär über Preiswettbewerb wachsen, geraten dabei leicht in Konflikt mit politischen Zielen, die auf Qualität, Innovation und technologischen Aufstieg abzielen. PDD wird sorgfältig ausbalancieren müssen, wie stark es die Discountstrategie ausweitet, ohne in eine regulatorische Gegenbewegung zu geraten.
Trotz dieser Risiken zeigt der jüngste Quartalsbericht eine klare Tendenz. In einem Marktumfeld, das andere Player ausbremst, behauptet PDD seine Rolle als eines der dynamischsten E-Commerce-Unternehmen Chinas. Der Konzern versteht es, Konsumenten dort abzuholen, wo sie stehen: bei der Suche nach niedrigen Preisen, transparenter Abwicklung und unmittelbarer Verfügbarkeit. Ob aus diesem Vorteil ein dauerhaft tragfähiges Modell entsteht, hängt davon ab, wie geschickt PDD Preisdruck, Expansion und Regulierung in den kommenden Jahren austariert.
Der gegenwärtige Erfolg ist jedoch unbestreitbar. In einem Land, in dem wirtschaftliche Zuversicht rar geworden ist, liefert PDD eine Antwort, die viele Käufer überzeugt und den Wettbewerb verändert. Der Preiskampf zahlt sich aus – zumindest vorerst.


