Künstliche Intelligenz treibt neue Gaswelle an – Datenzentren forcieren globale Renaissance fossiler Energie
In den Appalachen West-Pennsylvanias wird ein stillgelegtes Kohlekraftwerk in ein gasbetriebenes Rechenzentrum umgewandelt – für bis zu 4,5 Gigawatt Leistung. Ziel: eine stabile Stromversorgung für energiehungrige KI-Rechenzentren. Der Betreiber Homer City Redevelopment spricht von einer „Investition in die Zukunft“.
Weltweit entstehen derzeit über 85 neue gasbetriebene Kraftwerke speziell zur Versorgung von Datenzentren, wie die Forschungsgruppe Global Energy Monitor dokumentiert. Sie entstehen unter anderem in Irland, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten – Regionen mit wachsendem KI-Sektor, aber teilweise angespannter Netzstabilität. So soll allein das Stargate-Projekt von OpenAI im Emirat täglich ein Milliarden-Kubikfuß-Gas verbrauchen.
Die konstant hohe Grundlast von Rechenzentren kollidiert mit der Volatilität erneuerbarer Energien. „KI-Training braucht Leistungsspitzen, aber die Netze liefern unregelmäßig“, erklärt Mike Hemsley von der Energy Transitions Commission. Fossile Energien bleiben daher kurzfristig erste Wahl, weil sie planbar sind – so das Argument der Betreiber.
Selbst in Irland, wo Tech-Konzerne wie Amazon, Meta und Google ihre Rechenzentren auf „100 Prozent erneuerbar“ deklarieren, kommt über die Hälfte des Stroms aus fossilen Quellen. Die Energiebilanz basiert dort auf Finanzinstrumenten wie Power Purchase Agreements und Zertifikaten. Diese ermöglichen es, Strom aus Windparks in Griechenland oder Polen gegen Verbrauch in Dublin aufzurechnen – zeitlich und geographisch entkoppelt vom realen Strombedarf.
Das Problem: Die nationalen Stromnetze werden dadurch kaum sauberer, wie Hannah Daly von der University College Cork betont. Der Strombedarf wächst, die schmutzigsten Quellen – etwa Ölboiler oder Open-Cycle-Gasturbinen – laufen auf Hochtouren, wenn Rechenzentren Spitzenlast erzeugen.
Der Energieverbrauch für KI-Rechenzentren wird laut Internationaler Energieagentur in den kommenden fünf Jahren seinen Anteil an globalen fossilen Emissionen verdoppeln. Die Herstellung der nötigen Chips verstärkt den Effekt zusätzlich: Laut Greenpeace vervierfachten sich 2023 die Emissionen aus Chipproduktion, dominiert durch fossile Stromquellen in Südkorea und Taiwan.
Währenddessen setzen Hyperscaler wie Google oder Microsoft verstärkt auf Load Shifting: nicht dringliche Rechenaufgaben werden zeitlich verschoben oder in Regionen mit aktuell hoher Ökostrom-Verfügbarkeit verlagert. Doch das erfordert komplexe Systemarchitektur – und lohnt sich nur, wenn regulatorisch belohnt.
Forderungen nach einer präziseren Energieabrechnung auf Stunden- und Standortbasis nehmen zu. Google und AstraZeneca etwa unterstützen das Prinzip. Der Vorteil: Es zwingt Betreiber, dort sauberen Strom zu erzeugen, wo und wann er tatsächlich verbraucht wird.
Einige Anbieter experimentieren bereits mit Langzeit-Speichern, wie Googles Investition in CO₂-basierte Batterien zeigt, die 24 Stunden Strom liefern können – gegenüber vier Stunden bei Lithium-Ionen-Technologie.
Auch Microsoft will künftig nur noch gebündelte Stromverträge mit physisch gekoppelten Zertifikaten kaufen. Doch Branchenriese AWS verteidigt weiter das bestehende Zertifikatesystem als „schnellste, skalierbare Methode“ zur Emissionsminderung.
Trotz der Kritik zeigen sich selbst Experten wie Irlands Ex-Klimaminister Eamon Ryan versöhnlich: „Es geht nicht um ein Verbot von Rechenzentren. Aber wer den Betrieb klimafreundlich meistert, hat künftig einen Wettbewerbsvorteil.“


