Esoterik-Trend Neo-Schamanismus – Der neue Hunger nach Spiritualität

Sind sie Wunderheiler oder Scharlatane? Was steckt hinter dem neu erwachten Interessen an schamanischen Praktiken? Schamanismus wird in Deutschland als alternatives Heilangebot bereits seit den 1980er-Jahren angeboten. Im Fokus schamanischer Heilarbeit stehen die Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Seele. Im Unterschied zur klassischen Schulmedizin wirkt Schamanismus jedoch nicht auf Basis empirisch ermittelter Wirkungszusammenhänge, sondern beruft sich auf eine über jahrhundertealte Tradition.
Etablieren konnten sich schamanische Techniken in der westlichen Welt durch die New-Age-Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre. Auf der Suche nach alternativen Gesellschaftsmodellen entbrannte im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ein großes Interesse an indigenen Kulturen und der Lebensweise fremder Naturvölker. Im Kielwasser dieser Rückbesinnung auf vergessene kulturelle Praktiken schwappte der Schamanismus auch nach Deutschland und fand hier einen guten Nährboden. Heute ist er in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Allein die Zeitschrift ConnectionSpirit listet auf ihrer Internetseite 44 lehrende Schamanen und 22 Lehreinrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf. Das Interesse an Kursen und Seminaren ist groß.
Der heutige Neo-Schamanismus zeigt sich als Destillat archaischer Weisheiten, das sich versetzt mit sozialen Utopien, einem wachsenden Interesse an bewusstseinsveränderten Techniken, Naturmystik sowie feministischen und ökologischen Ideen nicht immer trennscharf von anderen esoterischen Praktiken abgrenzen lässt. Mit klassischem schamanischem Wirken, das ursprünglich auf heilkundige Medizinmänner oder Wahrsager des ostsibirischen Volks der Tungusen zurückgeht, hat ein nahezu entritualisierter Neo-Schamanismus, wie er heute betrieben wird, nur noch wenig zu tun.
Auch wenn sich moderne Praktizierende in den Fußstapfen ihrer archaischen Vorbilder wähnen, findet sich bei westlichen Neo-Schamanen durchaus auch eine Integration von Elementen anderer Therapiesysteme wie Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP), Gesprächstherapie oder Hypnose. Wie ein schamanisches Ritual ablaufen kann, zeigt beispielsweise ein Bericht im Questico Magazin. Der Bericht beschreibt die brasilianische Heilmethode Fogo Sagrado. Das Ritual wurde von Aloysio Delgado Nascimento entwickelt, einem Pharmazeut, der in seinem schamanischen Wirken schulmedizinische Erkenntnisse mit den Heilmethoden südamerikanischer Naturvölker vereint.
Nicht selten wird der Schamanismus-Boom der heutigen Zeit als Zeichen des Protests gesehen, in dem sich eine Ablehnung einer Kultur zeigt, die als naturzerstörend, patriarchal, vom rationalen Denken geprägt und nahezu unkontrollierbar komplex wahrgenommen wird. Schamanische Techniken sollen helfen, den Menschen mit seinen eigenen Wurzeln zu verbinden. Oft versprechen alternative Heilansätze Fragen zu beantworten, die die klassische Schulmedizin offen lässt. Ob Schamanismus eine ernst zu nehmende Alternative zu klassischen Behandlungen darstellt, konnte bisher nicht belegt werden. Die Anhänger schamanischer Lehren kümmert das jedoch nicht.

