Die überraschende Rückkehr der Getränkedose
Ein Produktionsstopp – und die Bedeutung dahinter
In einer Halle des mittelständischen Abfüllers Rhodius im rheinland-pfälzischen Burgbrohl stehen plötzlich die Anlagen. Auf dem Fließband: Tausende Getränkedosen, bereit zur Befüllung. Bis zu 200.000 Stück pro Stunde laufen hier normalerweise durch. Jeder Stillstand bringt die Planung durcheinander – denn Rhodius ist mittlerweile einer der wichtigsten Dosenabfüller Deutschlands.
2024 war ein Rekordjahr: 6,4 Milliarden Dosen wurden verkauft – so viele wie seit Einführung des Dosenpfands nicht mehr.
Vom Ladenhüter zum Wachstumsprodukt
Die Dose war lange Symbol der Wegwerfgesellschaft. Mit der Einführung des Pfands 2003 verschwanden sie praktisch aus dem Handel, denn Automaten konnten damals nur PET-Flaschen verarbeiten. Händler sortierten die Dose aus, der Markt brach ein.
Rhodius hielt dennoch an der Dose fest. Während viele Hersteller ausstiegen, diversifizierte das Familienunternehmen, baute internationale Kundenbeziehungen auf und investierte in PET-Abfüllung, um die Krise zu überstehen. Heute zahlt sich diese Beharrlichkeit aus: Die Nachfrage steigt, Kapazitäten wurden verdoppelt.
Energydrinks als Trendmotor
Den Wendepunkt brachte ein Produktsegment, das damals kaum jemand auf dem Radar hatte: Energydrinks. Sie werden fast ausschließlich in Dosen verkauft – und wachsen seit Jahren zweistellig. Junge Konsumentinnen und Konsumenten, die mit Mate, Limo und koffeinhaltigen Drinks aufgewachsen sind, haben die Dose neu entdeckt.
Supermärkte reagieren: Coca-Cola baut derzeit eine neue Dosenabfüllanlage, Red Bull und Rauch investieren in zusätzliche Kapazitäten. Selbst Marken wie Lipton, Pfanner oder Spezi bringen wieder Dosenversionen ihrer Getränke.
Nachhaltigkeit – echte Verbesserung oder Marketing?
Verbände betonen, die Dose sei heute deutlich leichter und zu 99 Prozent recyclingfähig. Doch Umweltschützer widersprechen: Das Recycling sei energieintensiv, Aluminium bleibe ressourcenaufwendig – und ein geschlossener Materialkreislauf wie bei PET existiere nicht.
Trotzdem scheint die Sorge der Konsumenten gering. Laut Marktforschern zählt beim Kauf weniger der Preis pro Liter, sondern der Moment des Konsums: unterwegs, spontan, „To go“.
Die neue Strategie: Premium statt Billigbier
Für Handel und Hersteller ist die Dose attraktiv: kleine Füllmengen, hoher Deckungsbeitrag, starke Markeninszenierung. Der frühere „Billigbier-Container“ hat sich zu einer Premiumverpackung entwickelt. Rhodius spürt das deutlich. Neben Energydrinks füllt das Unternehmen inzwischen Sprudelwasser in Dosen – zunächst nur online, mit wachsendem Interesse im Handel.
Rhodius-Chef Hannes Tack nennt den Trend pragmatisch:
„Die Dose war nie weg. Die Nachfrage brauchte nur Zeit, um zurückzukommen.“
Fazit
Die Getränkedose war nicht Opfer, sondern Vorbote eines Kulturwandels. Während der Markt früher Masse produzierte, steht heute Convenience im Vordergrund: leicht, platzsparend, stylisch. Das Comeback zeigt, wie schnell Verpackungen ihr Image wechseln können – und wie ein Mittelständler daraus einen Wettbewerbsvorteil formt.


