Zinsdynamik in Europa: EZB vor entscheidenden Entscheidungen
Die Europäische Zentralbank (EZB) steht kurz vor einer erneuten Zinssenkung, da die Inflation auf dem Rückzug ist. Dies sorgt für Spannung an den Finanzmärkten, die hoffen, Klarheit über den künftigen geldpolitischen Kurs in einem schwierigen Umfeld zu gewinnen.
Seit der vergangenen Sitzung im Oktober haben globale Ereignisse und politische Unsicherheiten in Europa die wirtschaftliche Lage weiter verschärft. Die jüngsten politischen Entwicklungen, wie der Wahlsieg von Donald Trump in den USA, haben die Risiken von Zöllen für Europa erhöht. Frankreich und Deutschland kämpfen mit politischem Aufruhr, die Geschäftstätigkeit hat sich verschlechtert und der Euro hat an Wert verloren.
Frederik Ducrozet von Pictet Wealth Management bringt es auf den Punkt: 'Es macht keinen Sinn, aktuell einen straffen Kurs zu verfolgen.' Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die EZB die Zinsen um 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte senken wird. Händler tendieren zu einem bescheidenen Schritt von 25 Basispunkten, was einer Fortsetzung der bisherigen Zinspolitik entspräche.
Obwohl einige für eine größere Maßnahme plädieren, gibt es Gegenwind aufgrund steigender Kerninflation und der Unsicherheiten bezüglich der US-Zollpolitik. Dennoch zeigen positive Wirtschaftszahlen, wie eine Rekordnachfrage nach Wohnungsbaukrediten, dass insgesamt eine Rückkehr zur stabilisierenden Zinspolitik möglich ist.
Die Auswirkungen der amerikanischen Zollpolitik bleiben eine offene Frage. Während Zölle das Wirtschaftswachstum belasten könnten, ist der Einfluss auf die Inflation unklar. Christine Lagarde, die EZB-Chefin, warnt vor den negativen Folgen eines umfassenden Handelskriegs.
Goldman Sachs erwartet, dass die Auswirkungen begrenzt bleiben, allerdings mit einem spürbaren Rückgang des Eurozonen-Wachstums um 0,5%. Der Weg der künftigen Zinssenkungen könnte beschleunigt werden, falls ein stärkerer Rückgang das Inflationsziel gefährdet.
Der Markt preist derzeit eine Lockerung um 155 Basispunkte bis Ende 2025 ein. Einige Ökonomen sehen die Notwendigkeit, die Zinsen unter das neutrale Niveau von 2%-2,5% zu senken, um die europäische Wirtschaft zu stützen. Trotz der Zunahme der Verbraucherpreisinflation im November, bleibt Vorsicht geboten.
Eine Annäherung an das Inflationsziel von 2% könnte schon im ersten Halbjahr erreicht werden, so Societe Generale. Eine Intervention zur Unterstützung französischer Anleihen durch die EZB ist jedoch derzeit vom Tisch. Frankreich erfüllt die Voraussetzungen für das Transmission Protection Instrument nicht, und die aktuellen Marktbedingungen erlauben keine derartige Maßnahme.
Die kommenden Entscheidungen der EZB werden entscheidend sein, während die Märkte weiterhin große Erwartungen an die geldpolitische Richtung inmitten eines wirtschaftlichen und politischen Wirrwarrs haben.

