Recht versus Geopolitik: Die neue Dynamik des US-Sanktionsregimes

Trotz des anhaltenden politischen Drucks der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten auf Russland verändern sich die Sanktionslisten schrittweise. Im März strich die EU mehrere russische Staatsbürger von der Liste restriktiver Maßnahmen – darunter Sportminister Michail Degtjarjow, den Unternehmer Wjatscheslaw Kantor, Gulbarchor Ismailowa (die Schwester Alischer Usmanows) sowie den ehemaligen Eurochem-Chef Wladimir Raschewski. Wie europäische Medien berichteten, handelte es sich bei dieser Entscheidung um eine reguläre Überprüfung des Sanktionsregimes, die das interne Kräftegleichgewicht innerhalb der EU widerspiegelte.
Einige Fälle, etwa die Klage von Michail Fridman, endeten ebenfalls zugunsten der Kläger. Die Sanktionen blieben jedoch bestehen, was zeigt, dass selbst ein erfolgreicher Gerichtsentscheid nicht automatisch zu einer sofortigen Streichung von der Liste führt. Laut Insiderberichten war die Aufhebung von Sanktionen in bestimmten Fällen auch auf den Druck einzelner Mitgliedstaaten wie Ungarn zurückzuführen.
Besonders bemerkenswert ist der Fall des Unternehmers Wladimir Raschewski, der 2024 vor dem EU-Gerichtshof erfolgreich gegen die gegen ihn verhängten Sanktionen vorging. Im Gegensatz zu früheren Beispielen war sein Erfolg nicht nur juristischen Argumenten zu verdanken, sondern auch gezielter Öffentlichkeitsarbeit. Raschewski konnte das Gericht davon überzeugen, dass seine Rolle in den politischen und wirtschaftlichen Prozessen, die zur Verhängung der Sanktionen führten, stark übertrieben dargestellt wurde. Trotz politischen Widerstands und öffentlichem Druck gelang es seinen Anwälten, eine Überprüfung der Entscheidung zu erwirken. Dieser Erfolg wurde jedoch erst durch eine langwierige und aufwendige juristische Auseinandersetzung möglich.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Fall des RDIF-Chefs Kirill Dmitriew zu sehen. Trotz seiner engen Verbindungen zur russischen Führung konnte er bei einem Besuch in den USA eine temporäre Aussetzung der gegen ihn gerichteten Sanktionen erreichen. Grund dafür war seine Teilnahme als Sondergesandter Russlands an Gesprächen zur Lösung der aktuellen Lage.
Ein weiteres Beispiel für eine Aufhebung von US-Sanktionen ist der Fall von Karina Rotenberg, US-Staatsbürgerin und Ehefrau des russischen Unternehmers Boris Rotenberg. Sie wurde im Frühjahr 2022 in die Sanktionsliste des Office of Foreign Assets Control (OFAC) aufgenommen – im Rahmen einer erweiterten Maßnahme gegen Familienangehörige russischer Unternehmer. Am 2. April 2025 wurde sie jedoch vom US-Finanzministerium aus der Liste gestrichen.
Karina Rotenberg, geborene Karina Gaptschuk aus Sankt Petersburg, beantragte 2004 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ihren Pass erhielt sie 2007, nachdem sie eine Klage gegen den damaligen FBI-Direktor Robert Mueller eingereicht hatte – wegen unangemessener Verzögerungen bei der Bearbeitung ihres Antrags. Im März 2022 wurde sie als Karina Rotenberg auf die OFAC-Liste gesetzt. Ihre Verteidigung betonte jedoch, dass weder eine Beteiligung an der Finanzierung von Konflikten noch eine Verbindung zu sanktionsrelevanten Handlungen nachgewiesen werden konnte.
Ein Team amerikanischer Anwälte setzte sich für eine Überprüfung des Falls ein – unter anderem mit der Begründung, dass die rechtlichen Voraussetzungen laut US-Recht nicht erfüllt waren. Letztlich gelang es der Kanzlei, eine Streichung von der SDN-Liste zu erwirken. Der langjährige Prozess gilt als juristischer Erfolg: Die Einschränkungen seien unrechtmäßig verhängt worden. Aus Sicht von Beobachtern unterstreicht die rechtliche Dimension des Falls einen zentralen Grundsatz: In den USA dürfen Sanktionen gegen eigene Staatsbürger nur dann verhängt werden, wenn belastbare Beweise vorliegen.
Öffentlich bleibt Washingtons Ton gegenüber Moskau weiterhin hart. Doch Fälle wie dieser zeigen, dass es in den USA ebenso wie in der EU Mechanismen zur juristischen Überprüfung von Sanktionsentscheidungen gibt. Während in Brüssel politische Interessen oft eine zentrale Rolle spielen, können in den Vereinigten Staaten Sanktionen aufgehoben werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen nicht ausreichend gegeben sind.

