Migranten und die Dynamik der Arbeitsmärkte: Glaubenssätze im Wandel der USA
Seit Jahren versichern Volkswirtschaftler skeptischen Bürgern, die einen Druck auf ihre Löhne durch Migranten befürchten, dass ihre Sorge unbegründet sei. Zwar mehren neue Arbeitskräfte das Angebot, doch steigert dies gleichzeitig auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Zahlreiche empirische Studien stützen diese These, da sie lediglich geringe Auswirkungen der Migration auf die Löhne Einheimischer gefunden haben.
Allerdings warnen nun viele Ökonomen, dass das Vorhaben des designierten US-Präsidenten Donald Trump, Millionen illegaler Migranten auszuweisen, zu Arbeitskräftemangel, steigenden Kosten und erhöhter Inflation führen könnte. Drängt sich da nicht die Frage auf, ob diese Aussagen in Konflikt stehen? Impliziert die Annahme, dass Abschiebungen die Inflation anheizen würden, nicht doch, dass Migrantenlöhne niedrig gehalten haben könnten? Eine solche Wahrnehmung könnte Zweifel an der Konsistenz ökonomischer Analysen wecken und zu allgemeinem Misstrauen gegenüber Experten führen.
Wirtschaften sind jedoch dynamisch, und Arbeitgeber reagieren auf die Verfügbarkeit von Migranten mit Anpassungen und Expansionen, die sie andernfalls vielleicht nicht erwogen hätten. Beispielsweise verlagerte sich die britische Fleischverarbeitungsindustrie allmählich zu 12-Stunden-Schichten, die sich — mit Hilfe von temporären Migranten — erfüllen ließen, aber nicht für festansässige Arbeiter mit Familie attraktiv waren. Ebenso setzten britische Landwirte nach 2004 vermehrt auf arbeitsintensive Obstsorten, da sie auf saisonale Arbeitskräfte aus Osteuropa zählen konnten.
Ein abruptes Verschwinden dieser Arbeitskräfte könnte kurzfristig erhebliche wirtschaftliche Störungen mit sich bringen, vor allem in Branchen, die stark von Migranten abhängen. Und während Arbeitgeber oft davor warnen, dass einheimische Arbeiter diese Positionen nur ungern einnehmen würden, könnte dies durch höhere Löhne und besser Bedingungen durchaus verändert werden. Doch viele dieser Sektoren arbeiten mit knappen Margen und stehen im Preisdruck der Supermarktketten. In Großbritannien führte der Brexit nicht zur erhofften britischen Arbeitskräfteoffensive, sondern zu faulendem Obst auf den Feldern und notgeschlachteten Schweinen aufgrund des Arbeitskräftemangels in Schlachthöfen.
Sollten in den USA aufgrund von Trumps Deportationsplänen die Löhne tatsächlich steigen oder ein akuter Produktionsmangel herrschen, ist es wahrscheinlich, dass auch die Preise für Güter wie Gemüse und Milch in die Höhe schnellen könnten. Dies könnte Konsumenten dazu veranlassen, auf Importe auszuweichen. Ein Übergang, den manche Trump-Anhänger eventuell begrüßen würden. Doch noch erklärt keine Seite diesen Zusammenhang überzeugend.

