Deutsche Börse setzt auf permanente Rückkäufe: Leithner startet ambitionierten Transformationsplan
Stephan Leithner lässt keinen Zweifel daran, wohin die Deutsche Börse steuern soll. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt präsentiert der Vorstandschef eine Strategie, die den Dax-Konzern zugleich stabiler, größer und attraktiver für Anleger machen soll. Der Kern des Plans: regelmäßige Aktienrückkäufe, flankiert von ehrgeizigen Wachstumszielen – und einer Rekordübernahme, deren Umsetzung alles andere als sicher ist.
Rückkäufe werden zum festen Teil der Kapitalstrategie
Zum ersten Mal kündigt die Deutsche Börse an, jährlich eigene Aktien zurückzukaufen – abhängig von der jeweils verfügbaren Liquidität. Für 2026 ist ein Programm von 500 Millionen Euro beschlossen. Die Botschaft ist klar: Auch bei großen Übernahmen sollen Ausschüttungen an die Anteilseigner nicht zur Disposition stehen.
In Kombination mit einer fortgesetzten Dividendenpolitik will Leithner damit ein Signal setzen, dass der Konzern genügend finanzielle Stärke besitzt, um gleichzeitig zu investieren und Kapital zurückzugeben. Für Anleger, die zuletzt unter dem Kursrückgang litten, ist dies ein wichtiger Marker.
„Leading the Transformation“ soll die nächste Wachstumsphase einläuten
Leithner stellt seinen Mehrjahresplan unter ein Versprechen, das größer klingt als die Zahlen: „Leading the Transformation“. Inhaltlich bedeutet es, die Nettoerlöse bis 2028 jährlich um acht Prozent auf 6,5 Milliarden Euro zu steigern – rein organisch. Der Betriebsgewinn (Ebitda) ohne Treasury-Beiträge soll im Schnitt sogar um zwölf Prozent pro Jahr wachsen.
Die Ziele sind etwas ambitionierter als im Vorgängerprogramm „Horizon 2026“, das elf Prozent Ebitda-Wachstum vorsah. Dass sie nun leicht angehoben werden, ist ein Versuch, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Seit dem Rekordhoch im Mai hat die Aktie fast ein Viertel an Wert verloren.
Allfunds bleibt das strategische Großprojekt – und der größte Unsicherheitsfaktor
Besonders empfindlich reagiert der Markt auf die geplante Übernahme der Fondsplattform Allfunds. Mit 5,3 Milliarden Euro wäre sie der teuerste Deal in der Geschichte der Deutschen Börse. Der Kauf würde den Konzern zu einem dominierenden Akteur im europäischen Fondsservice machen – und einen riesigen Wachstumsmarkt erschließen.
Doch die Umsetzung steht auf wackligem Fundament. Noch liegt kein offizielles Angebot vor. Es gibt keine Zusage der Eigentümer. Und die EU-Wettbewerbsbehörden sehen die Gefahr einer marktbeherrschenden Stellung. Analyst Ian White schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass der Deal durchgeht, auf maximal 50 Prozent. Entsprechend handelt die Allfunds-Aktie fast einen Euro unter dem möglichen Übernahmepreis.
Für Leithner ist die Kombination aus Rückkäufen und Akquisitionen ein Balanceakt. Die Botschaft an den Markt: Die Börse kann sich beides leisten. Ob das Vertrauen zurückkehrt, hängt jedoch am Fortgang der regulatorischen Prüfung.
KI-Sorgen drücken die Bewertung – nicht nur in Frankfurt
Die Aktie der Deutschen Börse notiert trotz der strategischen Klarheit deutlich unter dem Mai-Hoch. Ein Teil der Schwäche ist branchengetrieben. Auch die Londoner Börse verlor im gleichen Zeitraum rund ein Viertel ihres Werts. Investoren fürchten, dass neue KI-Modelle Daten zunehmend frei generieren und damit das Geschäft von Börsenbetreibern untergraben könnten.
Leithners Wachstumsplan ist deshalb auch eine Antwort auf diese Zweifel. Der Konzern will seine Daten- und Indexsparte ausbauen, Services rund um Fonds stärker integrieren und neue Ertragsquellen im Handel und Clearing schaffen. Die Ambition: für die KI-Ära relevanter werden, nicht austauschbarer.
Ein Vorstandschef nutzt sein Zeitfenster
Leithner steht erst seit Anfang des Jahres an der Spitze des Konzerns. Mit der neuen Strategie nutzt er die Möglichkeit, Ziele neu zu setzen, Kapitalmarktnerven zu beruhigen und zukunftsgerichtete Projekte voranzutreiben. Dass er Rückkäufe institutionalisiert, ist ein Signal stabiler Ausschüttungspolitik – und ein Versuch, die Kursdelle zu glätten.
Die entscheidende Frage bleibt jedoch offen: Wird die Deutsche Börse ihr größtes Projekt, die Allfunds-Übernahme, tatsächlich durchsetzen können? Die Antwort entscheidet, ob der Konzern die Transformation anführt – oder sich auf organisches Wachstum allein verlassen muss.


