Union erhöht nach Urteil Druck auf Justizministerin
Nach dem Stoppsignal aus Karlsruhe für die massenhafte Speicherung von Telefon- und Internetdaten warnten Experten von CDU und CSU vor Sicherheitslücken. Sie forderten Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) zum schnellen Handeln auf. Sie will dagegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Ruhe prüfen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte das zwei Jahre alte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung am Dienstag für verfassungswidrig erklärt. Allerdings hatte es der Speicherung von Telekommunikationsdaten keine generelle Absage erteilt. Für ein neues Gesetz formulierten die Richter eine Reihe von Auflagen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte im Sender Phoenix, man könne jetzt «dieses Vakuum nicht über Monate offen lassen». «Wenn wir in Deutschland nicht gemäß den Richtlinien und gemäß unserer Verfassung die Daten speichern, ist das eine Einladung an alle Straftäter, die mit Hilfe von Telekommunikationseinrichtungen Straftaten begehen wollen, nach Deutschland zu kommen.» Bei Leutheusser-Schnarrenberger habe er «nicht das Gefühl, dass sie jetzt ganz schnell aktiv werden möchte».
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, drängte zur Eile. «Ich gehe davon aus, dass die Bundesjustizministerin ein Interesse daran hat, möglichst schnell, das heißt vor der Sommerpause, einen Entwurf vorzulegen», sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Mittwoch). «Wir können uns einen monatelangen "rechtsfreien Raum" nicht leisten.»
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im Deutschlandfunk, es sei «völlig okay, wenn das Gericht einem Überwachungsstaat à la George Orwell vorbeugen will. Aber die Schutzfunktion, die der Staat für die Sicherheit der Bürger hat, kommt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den letzten Jahren vielleicht schon etwas kurz.» Auch Herrmann forderte den Gesetzgeber zum schnellen Handeln auf. Eine Datenspeicherung sei notwendig, um schwersten Straftaten vorzubeugen, aber auch, um eventuell Selbstmordgefährdete oder Vermisste zu retten.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, pflichtete der Union bei. «Es ist ganz eindeutig, dass es eine Sicherheitslücke gibt», sagte er im Deutschlandradio Kultur. Delikte aus dem Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität könnten nicht mehr «in der Tiefe aufgeklärt» werden.
Leutheusser-Schnarrenberger wies die Sicherheitsbedenken am Dienstagabend in den ARD-«Tagesthemen» zurück. Als es noch keine Vorratsdatenspeicherung gab, seien sehr erfolgreich Straftaten verfolgt worden, sagte sie. «Hier muss keiner Sorge haben, dass wir jetzt in eine Sicherheitslücke schliddern.» Das Karlsruher Urteil enthalte eine ganz klare Botschaft: «Nicht weiter so wie bisher.»
Es sei ganz selbstverständlich, dass man die Entscheidung jetzt «seriös, handwerklich ordentlich und zwar in aller Dimension» prüfe, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. «Da kann nicht automatisch was übers Knie gebrochen werden.» Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger. Einen Zeitpunkt für die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes nannte sie am Mittwoch auch auf Nachfrage nicht.
Die Linke forderte ein Moratorium für alle elektronischen Großprojekte, die datenschutzrelevant sind und dem Grundgesetz widersprechen könnten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt Gesetze gestoppt, erklärte Innenexpertin Petra Pau. «Wer so grundsätzlich markiert wird, sollte innehalten und nicht, wie die CDU/CSU, unbeirrbar weiter stürmen, wie bisher», erklärte Fraktionsvorstandsmitglied Petra Pau.