Teslas Zukunft hängt am AI5-Chip – und der kommt Jahre zu spät
Ein Chip, der über Teslas Zukunft entscheidet
Elon Musk hat selten so deutlich gesprochen: Ohne den AI5-Chip, Teslas nächsten Hochleistungsprozessor, gehe nichts. Weder Robotaxis noch der humanoide Optimus-Roboter, weder zukünftige Fahrzeugplattformen noch die Expansion der firmeneigenen Rechenzentren. Der Chip ist das Herzstück einer Strategie, die Tesla von einem Autobauer zu einem KI-Konzern transformieren soll. Und genau dieses Herz schlägt nicht im geplanten Takt.
Um die Abhängigkeit von einem einzelnen Hersteller zu reduzieren, lässt Tesla den AI5 parallel bei TSMC und Samsung fertigen – ein teurer, technologisch ungewöhnlicher Doppelansatz. Vier Fertigungsstandorte, zwei Halbleiterriesen, ein einziges Chipdesign mit zwei Anpassungen. Was nach Risikostreuung klingt, ist in Wahrheit ein Hinweis darauf, wie fragil Teslas gesamte Zukunftsarchitektur ist.
Die Verzögerung, die Musks Zeitplan sprengt
Mitte 2027 statt Ende 2025: Die Entwicklung des AI5 verzögert sich um fast zwei Jahre. Für Tesla bedeutet das: Die große KI-Vision muss auf alter Hardware starten. Der Cybercab, das vollautonome Robotaxi ohne Lenkrad, kommt 2026 mit der bisherigen AI4-Generation – einem System, das selbst nach intensiven Software-Updates nicht zu vollständig autonomem Fahren fähig ist.
Musk selbst räumt ein, dass Tesla zunächst „mehrere Hunderttausend fertige AI5-Platinen“ benötigt, bevor die Produktion umgestellt werden kann. Auf der Hauptversammlung hatte er noch versprochen, der Chip werde die Leistung der aktuellen Hardware etwa verzehnfachen. Nun wird die Software für ein System optimiert, das eigentlich schon ersetzt werden sollte.
Die Robotaxi-Wette wird zum Engpass
Teslas Vision ist extrem skaliert: Millionen Robotaxis, Millionen humanoide Roboter, Millionen Fahrzeuge. Jede dieser Einheiten benötigt denselben Chip. Besonders im Robotaxi-Segment hängt viel von Timing ab – in den USA drängen neue Wettbewerber in den Markt, in China testet Baidu bereits vollständig autonome Flotten. Tesla dagegen startet sein erstes reines Robotaxi mit einem Chip, der Musks eigenen Maßstäben nicht mehr genügt.
Die Verzögerung wirft eine Frage auf, die Anleger, Analysten und Konkurrenten gleichermaßen umtreibt: Ist Teslas technologische Führungsrolle noch intakt, wenn der zentrale Prozessor hinter dem Zeitplan herläuft?
Musks letzte Karte: Eine eigene Chipfabrik
Weil TSMC und Samsung trotz Milliardenverträgen nicht genug Kapazität bereitstellen können, denkt Musk laut über eine eigene Chipfabrik nach – Codename „Terrafab“. Ein Mega-Projekt mit gewaltigen Dimensionen: Bis zu eine Million Waferstarts pro Monat, ähnlich den Spitzenwerten von TSMC. Doch die Realität ist ernüchternd.
Der Bau einer hochmodernen Halbleiterfabrik dauert fünf bis sieben Jahre, kostet zweistellige Milliardenbeträge und benötigt eine derart spezialisierte Lieferkette, dass selbst Staaten mit Chipprogrammen am Limit arbeiten. Tesla konkurriert dabei nicht nur mit Autoherstellern, sondern mit nationalen Industriepolitiken, Rüstungskonzernen und Technologiegiganten.
Selbst mit staatlicher Förderung wäre eine eigene Fab für Tesla ein Kraftakt, der die Bilanz über Jahre prägen würde.
Ein Unternehmen, das der eigenen Zukunft davonläuft
Tesla verkauft 1,6 Millionen Autos im Jahr. Musk will Millionen Robotaxis, Millionen Optimus-Roboter, ein KI-Ökosystem mit globaler Reichweite. Doch all diese Ambitionen enden beim selben Nadelöhr: einem Chip, den Tesla weder selbst baut noch in ausreichenden Mengen beschaffen kann.
Der AI5 sollte der Turbo sein – aktuell wird er zum Bremsklotz. Die strategische Abhängigkeit, die Tesla eigentlich überwinden wollte, wird größer statt kleiner. Und die Frage, die jetzt im Raum steht, ist klar: Gelingt Tesla der Sprung vom Auto- zum KI-Konzern – oder scheitert dieser Plan an einem Bauteil, das kaum größer ist als ein Daumennagel?


