Pflegereform: Am Ende zahlen die Kassenpatienten
Die Pflegereform wird teurer als vom Gesundheitsministerium kalkuliert. Versicherte müssen künftig ohnehin höhere Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung zahlen. Nun könnten jedoch auch noch die Krankenkassen in die Pflicht genommen werden. Ihre Reserven wecken ständig Begehrlichkeiten - dabei sind auch die Rücklagen endlich.
Hermann Gröhe (CDU) verspricht mit seiner Pflegereform mehr Leistungen in vielen Bereichen: Ambulante Pflege wird höher bezuschusst und dadurch erleichtert. Versicherte erhalten in den meisten Fällen um vier Prozent höhere Pflegeleistungen. Doch diese zusätzlichen Leistungen haben ihren Preis. Auch der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, der in Zukunft vor allem Demenzpatienten besser stellen könnte, soll nach der Einschätzung von Experten nochmals rund eine halbe Milliarde Euro Mehrkosten verursachen. Die Bundesregierung hat sich demnach verrechnet.
Wer zahlt die Pflegereform?
Vielleicht ist es für die Umsetzung einer grundlegend wichtigen, aber teuren Reform notwendig, die Kosten zunächst großzügig zu veranschlagen. Nun beginnt jedoch die Suche nach dem Zahlmeister: Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge wurde im Gesundheitsministerium beraten, ob nicht die Krankenkassen einen Teil der kostspieligen Pflegereform tragen könnten.
Vorgesehen wäre demnach, die Ausgaben für Behandlungspflege wieder an die Krankenkassen zu übertragen - diese fielen bereits vor der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung vor 20 Jahren in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen. Unter Behandlungspflege sind die medizinischen Leistungen zu verstehen, die aufgrund von ärztlicher Verordnung erfolgen. Dazu zählen zum Beispiel Verbandswechsel oder Wundversorgung. Bei den Krankenkassen würden sie mit rund zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen, so die Süddeutsche Zeitung.
Gesundheitsministerium denkt noch über Finanzierung der Pflegereform nach
Das Dementi der Bundesregierung zu diesem Vorhaben folgte allerdings sogleich: "Derzeit gibt es im Bundesministerium keine Überlegungen in diese Richtung", erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums gestern in Berlin. Doch die Idee kursiert nun - und es wäre nicht das erste Mal, dass Interesse an den Milliarden Euro der gesetzlichen Krankenkassen angemeldet wird.
Wundermittel Gesundheitssystem
Die Gelder im Gesundheitssystem scheinen derzeit so etwas wie ein "heiliger Gral" zu sein: Die Kassen hüten sie, andere begehren sie und wollen ihre Finanzsorgen damit lösen. So erregte beispielsweise bereits der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinen Plänen zur Entschuldung des deutschen Haushalts Aufmerksamkeit. Schäuble sieht vor, die Gelder, die ins Gesundheitssystem, genauer den Gesundheitsfonds, fließen, in diesem Jahr um 3,5 Milliarden Euro und im nächsten Jahr um 2,5 Milliarden Euro zu kürzen. Auf diese Weise will er das historisch einmalige Ziel erreichen, für die Jahre 2015 bis 2018 keine neuen Schulden zu schreiben.
Zahlen Kassenpatienten für die schrumpfenden Reserven?
Doch die Einnahmen der Krankenkassen werden auch durch den Wegfall des Sonderbeitrags von 0,9 Prozentpunkten geringer werden. Für die Kassen bedeuten weniger Einnahmen und größere Ausgaben für Gesundheitskosten indes, dass sie ab dem nächsten Jahr einkommensabhängige Zusatzbeiträge von den Versicherten verlangen müssen. Dazu haben sie ab Januar 2015 die Möglichkeit, die sie je nach Finanzlage nutzen werden. Da bereits jetzt bis zum Ende des Jahres erstmals wieder schrumpfende Reserven der Krankenkassen - von 30,1 Milliarden auf 26,7 Milliarden Euro - prognostiziert werden, gehen auch Experten von einem flächendeckenden Zusatzbeitrag aus.
Wer also eine Teilfinanzierung der Pflegereform an die Krankenkassen überträgt, belastet damit Millionen von Kassenpatienten. Sie zahlen damit doppelt - sowohl für die Pflege- als auch für die Krankenkassenreform.