Anschlag auf Weihnachtsmarkt

«Die Leichtigkeit ist weg» - Opfer berichten über Anschlag

27. November 2025, 15:55 Uhr · Quelle: dpa
Gerichtsgebäude für Prozess zum Magdeburg-Anschlag
Foto: Jan Woitas/dpa
Ein Blick in den Gerichtssaal auf den Platz für die Zeugen und die Glaskabine, in der der Angeklagte während der Verhandlungen sitzt. (Archivbild)
In Magdeburg sprechen Opfer des Weihnachtsmarkts-Anschlags vor Gericht über ihre Schicksale. Der Prozess weckt schmerzhafte Erinnerungen bei den Betroffenen.

Magdeburg (dpa) - «Es ist nicht mehr das, was es einmal war. Der Abend hat einen verändert. Diese Leichtigkeit, diese Unbeschwertheit ist weg. Es ist weg. Er hat es mir genommen.» Die zierliche 41-jährige Frau sitzt inmitten des riesigen Verhandlungssaals, neben sich ihren Anwalt und eine Zeugenbetreuerin. Sie meidet den Blick auf den Todesfahrer, der rechts von ihr in einer Glaskabine sitzt und zuhören muss. Die Bürokauffrau ist eine der ersten Betroffenen, die im Prozess um die Todesfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt aussagen. Sie tut das freiwillig.Als die Frau das Wort bekommt, kommen ihr erstmal die Tränen. Es ist still im riesigen Verhandlungssaal. Dann sprudelt es aus der Zeugin heraus. Der Feierabend war sehr schön, sagt sie. Erst wollten sie und ihr Mann gar nicht hingehen auf den Weihnachtsmarkt, dann freuten sie sich doch auf Grünkohl und Entenleber. Die Stimmung sei ausgelassen gewesen, entspannt, keine Hektik, kein Stress. Von Bude zu Bude wollten sie gehen. Dann setzt ihre Erinnerung aus. «Ich habe nichts gehört, nichts gesehen.» Umgeben von fremden Menschen sei sie wieder aufgewacht. Alles habe anders ausgesehen. «Ich habe nicht verstanden, was passiert ist.»

Ihr Mann weinte bitterlich. «Du lebst, du lebst»

Die 41-Jährige wurde von dem Todesfahrer erfasst. Durch den Aufprall des Wagens wurde sie von ihrem Mann getrennt. Als sie sich wiederfanden, habe er bitterlich geweint und gesagt «Du lebst, du lebst». Sie habe ein blaues Gesicht gehabt, erinnert sich die Frau, Hämatome, ein verstauchtes Bein. «Ich hatte Schmerzen ohne Ende.» Ihr Mann kämpfe bis heute mit einer Beinverletzung. Er sei in psychologischer Behandlung, sie selbst auch.


Es ist der achte Verhandlungstag in diesem Prozess gegen Taleb al-Abdulmohsen. An den vorangegangenen Tagen wurden Polizeibeamte gehört, auch Arbeitskollegen des geständigen Täters aus dem Maßregelvollzug und Rechtsanwälte. Immer wieder meldete sich der Angeklagte mit Fragen und ausschweifenden Erklärungen zu Wort, teils befragte er die Zeugen scharf. 

Der Angeklagte soll die Opfer nicht direkt ansprechen

Das sollte den Betroffenen des Anschlags auf der Zeugenbank erspart bleiben. Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg verabredete mit dem Angeklagten, dass dieser Fragen nur über seinen Verteidiger stellt. Die Prozessparteien hatten zuvor schon verabredet, dass Zeugen nur freiwillig aussagen und ansonsten auf ihre Angaben bei der Polizei zurückgegriffen wird. 

Als al-Abdulmohsen nach der Zeugin in einer Erklärung erneut abschweift und über saudische Frauen als Opfer spricht, dreht Sternberg ihm wieder das Mikrofon ab. In einer ähnlichen Situation war der 51-Jährige am Dienstag aufgesprungen und wurde von Spezialkräften der Justiz aus dem Saal gebracht.

Am 20. Dezember lenkte der damals 50-jährige al-Abdulmohsen einen mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken Wagen etwa 350 Meter weit über den Weihnachtsmarkt, so die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg. Er war mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde unterwegs. Ein neunjähriger Junge sowie fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren kamen ums Leben. Mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt.

Ein 60-Jähriger: «Es war reine Panik in dem Moment»

Auch ein 60 Jahre alter Kraftfahrer erinnerte sich als Zeuge an den Anschlag. Der Wagen sei nur etwa 50 Zentimeter an ihm, seiner Frau und Bekannten vorbeigefahren. Er habe an einem Stand Kartoffelpuffer gegessen und habe von links das Auto kommen und in Schlangenlinien vorbeifahren sehen. Stehtische seien geflogen, Menschen seien von dem Wagen erfasst worden. «Es war sehr rasant», sagte der Mann. 

Anschließend habe er sich schnell an der Ersten Hilfe für Verletzte beteiligt. «Es war reine Panik in dem Moment. Es war sehr unübersichtlich.» Seine Frau sei zwar körperlich unverletzt geblieben, fahre aber bis heute nicht mehr in die Stadt. 

Bei vielen hat der Prozessbeginn Erinnerungen wachgerufen

Bei vielen anderen Augenzeugen, die das Erlebte schon verarbeitet sahen, habe der Prozessbeginn vieles wieder aufgewirbelt. «Es hat alles wieder angefangen zu brodeln im Kopf», beschrieb der Mann seine Wahrnehmung.

Ein 57-Jähriger, dessen Bude direkt dort stand, wo der Mietwagen von der Straße auf eine Gasse des Weihnachtsmarkts einbog, berichtete von mehreren Verletzten. Er habe aus dem Stand heraus zunächst Krach gehört und daraufhin gesehen, wie eine Frau, die gerade etwas aß, von dem schwarzen Auto erfasst worden sei. Auch er habe sich sofort an der Versorgung der Verletzten beteiligt.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt, dann sind weitere Geschädigte und Angehörige einer getöteten Frau als Zeugen geladen. Etwa 180 Betroffene sind in dem Prozess als Nebenkläger dabei, es wurde eigens ein Interims-Gerichtsgebäude errichtet, weil sonst kein Saal gereicht hätte. Zu den Verhandlungstagen kommen aber meist nur einige Betroffene, ihre Anwälte sind dabei. Das Interesse im Zuschauerraum ist anhaltend groß, nahezu alle Plätze waren am Donnerstag belegt.

Notfall / Kriminalität / Prozess (Gericht) / Anschlag / Sachsen-Anhalt / Deutschland
27.11.2025 · 15:55 Uhr
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