Demjanjuk droht mit Hungerstreik

München (dpa) - Der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk droht mit Hungerstreik. Falls das Münchner Landgericht es ablehne, entlastende Beweismittel zu berücksichtigen, werde er binnen zwei Wochen die Nahrungsaufnahme verweigern, kündigte der 90-Jährige in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung an.

Sein Verteidiger stellte 80 neue Beweisanträge, so dass das Gericht die Beweisaufnahme immer noch nicht abschließen konnte. Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft am Dienstag nach mehr als 80 Prozesstagen mit ihrem Plädoyer beginnen. Staatsanwalt und Nebenklage sprachen von Prozess-Verschleppung.

Demjanjuk soll 1943 als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor bei der Ermordung von mindestens 27 900 Juden geholfen haben. In der Erklärung bezeichnete er die Verhandlung als politisch motivierten Schauprozess. Er, ein «ukrainischer Bauer», stehe anstelle von schuldigen Deutschen vor Gericht.

Der gebürtige Ukrainer, der an Rückenschmerzen, einer Blutkrankheit sowie Altersdiabetes leidet, verfolgt den Prozess von einem rollbaren Bett aus. Schon auf dem Weg in den Gerichtssaal hatte er mit der auf Pappe gemalten Zahl «1627» die Berücksichtigung einer bestimmten KGB-Akte aus Moskau verlangt.

In dem Verfahren würden Beweismittel unterdrückt und die Historie verfälscht - das seien «Waffen der Folter», hieß es in seiner Erklärung. «Für mich bleibt nur ein einziger Weg, der Welt zu zeigen, was für eine Verhöhnung der Gerechtigkeit dieses Verfahren darstellt.» Dies sei ein Hungerstreik.

Wegen Demjanjuks angeschlagener Gesundheit darf nur zweimal 90 Minuten pro Tag verhandelt werden. Sein betreuender Arzt Albrecht Stein sagte mit Blick auf einen möglichen Hungerstreik, Unterzucker könne in kürzester Zeit zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Zu der Frage, ob in diesem Fall eine Zwangsernährung infrage komme, wollte er sich nicht äußern.

Demjanjuks Verteidiger Busch erklärte, mit den angeforderten Dokumente lasse sich beweisen, dass die Wachmänner nur zur Außensicherung des Lagers Sobibor eingesetzt gewesen seien - und nichts mit den Massentötungen in den Gaskammern zu tun gehabt hätten. Wachmänner hätten entgegen der Darstellung der Anklage nicht fliehen können. Minenfelder hätten dies verhindert, Fluchtversuche seien mit Erschießung geahndet worden. Der SS-Ausweis mit der Nummer 1393 - eines der Hauptbeweismittel der Anklage - habe auch gar nicht Demjanjuk gehört.

Außerdem seien die in München erhobenen Vorwürfe unter anderem Teil des Verfahrens in Israel in den 1980er Jahren gewesen. In Israel war Demjanjuk als vermeintlicher «Iwan der Schreckliche» von Treblinka zum Tode verurteilt worden. Fünf Jahre später stellte sich heraus, dass er verwechselt worden war, 1993 wurde er freigesprochen.

Prozesse / Kriminalität / Nationalsozialismus
22.02.2011 · 17:27 Uhr
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