Chinas Wirtschaft trotzt Immobilienflaute mit Fertigungsstärke
Trotz eines stark angeschlagenen Immobilienmarktes konnte Chinas Wirtschaft im ersten Quartal des Jahres 2024 überraschend positive Wachstumszahlen vorweisen. Der zuständige Nationalstab für Statistiken vermeldete ein kräftiges Plus in der industriellen Produktion von 6,1 Prozent und eine fast 10-prozentige Steigerung der Investitionen im verarbeitenden Gewerbe. Diese Entwicklung hat zu einem über den Erwartungen liegenden Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 5,3 Prozent im Jahresvergleich beigetragen. Allerdings wirft der zweistellige Rückgang der Immobilienverkäufe Fragen nach der Nachhaltigkeit des wirtschaftspolitischen Kurses auf. Experten setzen die Konzentration auf Produktionsausbau und Exportförderung statt stärkere Binnennachfrage in Zweifel, zumal niedriges Verbraucher- und Investorenvertrauen sowie deflationäre Tendenzen das Wachstum belasten könnten. Goldman Sachs' China-Chefökonom Hui Shan identifiziert die positive Entwicklung klar: Mehr Produktion und Exporte sowie erhöhte Fertigungsinvestitionen seien die Treiber des Aufschwungs. Vor dem Hintergrund eines dreijährigen Abschwungs im Immobiliensektor, der einst fast ein Drittel zur Wirtschaftsleistung beitrug, verlegen sich chinesische Politiker darauf, durch Investitionen in die Fertigungsindustrie Wachstum zu generieren, bis sich die Binnennachfrage stabilisiert. Die Regierung unterstützt insbesondere hochwertige Fertigungsbereiche wie Elektrofahrzeuge, Solarmodule und Batterien durch Subventionen sowohl für Unternehmensinvestitionen als auch für Konsumkäufe. Diese Programme zielen darauf ab, den Absatz von Neuwagen und Elektrogeräten für Haushalte zu steigern. Dennoch fürchten Handelspartner, dass eine Überbetonung des Exportüberhangs zu ähnlichen „Angebotsschocks“ führen könnte, wie sie zwischen 2015 und 2016 erlebt wurden. Damals erschütterte überschüssige Stahlkapazität den Weltmarkt, als sich das chinesische Wirtschaftswachstum abschwächte. Entgegen dieser Befürchtungen beharren Regierungsvertreter darauf, dass die florierenden grünen Industrien Chinas Resultat von Marktmechanismen seien. Auch auf internationaler Bühne, wie etwa bei einem Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, verteidigte der zweithöchstrangige chinesische Beamte Li Qiang die Ausrichtung des Landes. Exportdaten des ersten Quartals zeigen indes ein deutliches Wachstum um 14 Prozent im Jahresvergleich, obschon Preisindizes für die Exporte um 12 Prozent sanken - ein Anzeichen für beträchtliche Überkapazität. Dies führt dazu, dass chinesische Exporteure mit Preissenkungen auf ihre Auslandsverkäufe reagieren, so Robin Xing, Chefökonom für China bei Morgan Stanley. Nomura's China-Chefökonom Ting Lu betont, dass die anhaltende Exportstärke nicht ausreicht, um den Einbruch im Immobiliensektor zu kompensieren. Er erwartet, dass diese Schwäche noch einige Quartale anhalten wird. Währenddessen erwarten Volkswirte, dass der Fertigungsboom gemeinsam mit Infrastrukturinvestitionen und anderen Konjunkturmaßnahmen das Wirtschaftswachstum auf das von der Regierung anvisierte Ziel von 5 Prozent hieven könnte. Auch wenn der Protektionismus entwickelter Märkte allmählich Wirkung zeigt, sind chinesische Unternehmen geschickt darin, Zölle zu umgehen, indem sie ihre Waren über andere Märkte kanalisieren. (eulerpool-AFX)