Chinas Ministerpräsident in Berlin eingetroffen
Berlin (dpa) - Erstmals ist ein chinesischer Ministerpräsident mit zahlreichen Ministern zu Regierungskonsultationen in Deutschland eingetroffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfing Wen Jiabao am Montagabend zunächst in kleinem Kreis am Berliner Wannsee.
In der einstigen Villa des Malers Max Liebermann wollten die beiden Regierungschefs und ihre Außenminister vertraulich miteinander sprechen.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte im RBB-Inforadio, die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass die Freiheitsrechte in China geschützt würden. Er sehe aber keinen Widerspruch zur Menschenrechtspolitik, wenn Deutschland die Potenziale des starken Wirtschaftswachstums in China durch Handel für sich nutze.
Nach einem deutsch-chinesischen Wirtschaftsforum kommen die beiden Kabinette an diesem Dienstag im Kanzleramt zusammen. Merkel wird Wen mit militärischen Ehren begrüßen. Vor seiner Abreise trifft er am Nachmittag noch Bundespräsident Christian Wulff.
Die ersten Regierungskonsultationen mit China sollen der deutschen Wirtschaft Milliardenaufträge bringen. Darunter sind nach Informationen aus Industriekreisen Großprojekte von Airbus, Daimler, Volkswagen und BASF. Merkel werde auch die Menschenrechtslage in China ansprechen, versicherten ranghohe deutsche Diplomaten. Allerdings werde sie dies voraussichtlich nicht öffentlich machen.
Deutschland hat nur zu wenigen Staaten so intensive Beziehungen, dass regelmäßig Regierungskonsultationen stattfinden. Die längsten Kontakte dieser Art bestehen zu Frankreich, die anderen Partner sind Italien, Spanien, Polen, Russland und Israel. In diesem Jahr kamen China und Indien hinzu.
Nach Regierungsangaben sollen bei dem Treffen in Berlin mehrere Dutzend staatliche Abkommen beziehungsweise Wirtschaftsverträge unterzeichnet werden.
Allein der europäische Flugzeugbauer Airbus hofft auf einen Großauftrag für seinen modernisierten Kassenschlager A320. Dabei geht es nach dpa-Informationen aus Industriekreisen um eine Kaufvereinbarung über 62 Maschinen durch die auf Leasing-Geschäfte spezialisierte chinesische Großbank ICBC. Das Geschäft sei aber nicht endgültig unter Dach und Fach, hieß es.
Die Autobauer Daimler und Volkswagen setzen auf grünes Licht der Pekinger Regierung für neue Milliardeninvestitionen. VW will zusammen mit Joint-Venture-Partnern neue Fabriken und Elektroauto-Projekte anstoßen. Der Daimler-Konzern will in China eine Motorenfabrik sowie ein Forschungszentrum errichten. Der Chemiekonzern BASF bereitet eine strategische Zusammenarbeit mit der Stadtregierung von Chongqing vor.
China wird in den kommenden Jahren aber noch mehr als 300 Millionen Euro deutsche Entwicklungshilfe erhalten. Dabei handelt es sich nach Angaben des Entwicklungsministeriums um Restzahlungen für 51 Projekte. Neue Zusagen an China gibt es seit 2010 nicht mehr. Union und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf einen Stopp der Mittel für die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt geeinigt.
Zur Frage der Menschenrechte in China sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Freilassung des chinesischen Künstlers und Aktivisten Ai Weiwei sowie des Bürgerrechtlers Hu Jia sei eine «positive Entwicklung». Sie täusche aber nicht darüber hinweg, dass Deutschland und China unterschiedliche Auffassungen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten hätten. Die Grünen befürchten, dass Ai und Hu mit strengen Auflagen für ihren Aufenthalt und Redeverbot mundtot gemacht werden.
Wen hatte seine Europareise am Freitag in Ungarn gestartet und reiste in der Nacht zum Sonntag nach Großbritannien weiter. China und Großbritannien schlossen Handelsabkommen in Höhe von 1,4 Milliarden Pfund (1,6 Milliarden Euro) ab. Britische Firmen sollen künftig unter anderem in den Bereichen Architektur, Bauwesen und Forschung mehr Zugang zum chinesischen Markt bekommen und auch in den wachsenden Regionalstädten investieren können.