Cameron rechnet mit Ausweitung des Medienskandals

London (dpa) - Der britische Abhör- und Bestechungsskandal könnte nach Auffassung von Premierminister David Cameron noch weit größere Dimensionen haben als bislang angenommen. Der Regierungschef selbst bestritt m Parlament in London jede Verwicklung in die Affäre.

Er habe auch keinen Einfluss auf die Ermittlungen der Polizei genommen. Cameron sagte, neben dem Skandalblatt «News of the World» hätten vermutlich auch andere Medien unlautere Methoden zur Recherche angewandt. Daher werde der geplante richterliche Untersuchungsausschuss nicht nur die Arbeit bei dem mittlerweile eingestellten Murdoch-Blatt untersuchen, sondern auch andere britische Medien unter die Lupe nehmen. Dazu gehörten auch Fernsehsender und Internetdienste. Bereits vor mehreren Jahren war ein Report der Medienkontrolleure aufgetaucht, der hunderte Verstöße verschiedenster Redaktionen auflistete.

«Wir sollten zwar nicht automatisch annehmen, dass diese Praktiken über die ganze Medienlandschaft verstreut waren, aber es wäre naiv zu denken, dass sie auf eine Zeitung oder eine Zeitungsgruppe beschränkt waren», sagte Cameron. «Es ist klar, dass sie weiter reichten, und die Untersuchung sowie die Polizeiermittlungen müssen in die Richtung gehen, in die die Beweise führen.»

Der Skandal habe das «Vertrauen der Öffentlichkeit in die Polizei und die Presse» schwer beschädigt, sagte Cameron und bestritt vehement jede Verwicklung in die Affäre oder Einflussnahme auf die Ermittlungen. Er war in den vergangenen Tagen immer stärker unter Druck geraten und sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Unter anderem hatte er den früheren «News of the World»-Chef Andy Coulson zu seinem Berater und Regierungssprecher gemacht. Dieser soll während seiner Zeit bei dem Blatt über die dortigen Abhör- und Bestechungsmethoden Bescheid gewusst haben. Außerdem werden Cameron zu enge Kontakte zum Top-Management des Verlags News International von Rupert Murdoch vorgeworfen, in dem die Zeitung erschien. Murdoch hatte am Vortag erklärt, er habe den Regierungssitz in der Downing Street auf Anraten Camerons «durch die Hintertür» betreten.

Der Premier betonte, er habe an keinem einzigen unredlichen Treffen mit Vertretern von News International teilgenommen. Bei den Gesprächen sei der vorgeschriebene Verhaltenskodex stets eingehalten worden. Die Einstellung Coulsons bereue er dennoch rückblickend. Wenn er gewusst hätte, was er heute wisse, hätte er Coulson nicht zum Kommunikationschef seiner Regierung ernannt: «Man lebt und man lernt, und glauben Sie mir: Ich habe gelernt.»

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Ed Miliband, beschuldigte Cameron, die Warnungen vor Coulson absichtlich ignoriert zu haben. «Das kann nicht auf krasse Inkompetenz zurückgeführt werden. Es war ein absichtlicher Versuch, sich vor den Fakten zu verstecken.» Damit habe er auch sein eigenes Amt retten wollen.

Der Skandal schwelt seit Jahren, war aber in den vergangenen Wochen neu aufgeflammt. Journalisten des Murdoch-Blattes «News of the World» sollen Tausende Telefone von Prominenten, Terror- und Mordopfern sowie Soldatenwitwen abgehört haben. Außerdem flossen Bestechungsgelder an die Polizei.

Britische Parlamentarier hatten Scotland Yard am Mittwoch einen ganzen «Katalog von Fehlern» bei den Ermittlungen vorgeworfen. Gleichzeitig habe das hinter dem Boulevardblatt stehende Verlagshaus News International die Polizeiuntersuchung absichtlich durchkreuzt, hieß es im Bericht des Parlamentsausschusses.

Am Mittwoch wurden auch neue Vertuschungsvorwürfe laut. Die Londoner Anwaltsfirma Harbottle & Lewis erklärte, sie würde gerne E-Mails als Beweismittel veröffentlichen, Murdochs News International erlaube dies jedoch mit Verweis auf die Schweigepflicht nicht. Die Kanzlei hatte 2007 eine interne Untersuchung bei dem Murdoch-Verlag begleitet. Der Schauspieler Hugh Grant und seine Ex-Freundin Jemima Khan erwirkten am Mittwoch gerichtlich, dass ihnen Beweismaterial von der Polizei ausgehändigt werden muss. Beide waren Dokumenten zufolge abgehört worden.

Murdoch droht derweil auch in Australien Ungemach. Die australische Regierung habe wegen des Skandals in Großbritannien «ernste Fragen» zu den Geschäften des Medienimperiums in Murdochs Heimatland, sagte Australiens Premierministerin Julia Gillard am Mittwoch. Die Murdoch gehörende Holding News Limited kontrolliert 70 Prozent des australischen Zeitungsmarktes und bildete den Grundstock für das internationale Medienkonglomerat des 80-Jährigen. News Limited-Chef John Hartigan betonte, in Australien habe es keine Unanständigkeiten gegeben.

Medien / Kriminalität / Großbritannien
20.07.2011 · 20:25 Uhr
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