Nach Assads Sturz

Baerbock warnt Damaskus vor Abkehr von gemäßigtem Kurs

03. Januar 2025, 22:23 Uhr · Quelle: dpa
Außenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot reisen nach Damaskus. Es ist eine großzügige Geste. Aber einen Handschlag erhält Baerbock nicht.

Damaskus (dpa) - Außenministerin Annalena Baerbock hat der neuen syrischen Führung bei ihrem Besuch in Damaskus klare Bedingungen für die Unterstützung Europas gestellt. Deutschland und die Europäische Union wollten dabei helfen, dass das zukünftige Kapitel Syriens ein friedliches und freies werde. Gewissheit gebe es darüber aber noch lange nicht, sagte sie zum Abschluss der gemeinsamen Reise mit dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot im Auftrag der EU. 

«Es braucht jetzt einen politischen Dialog unter Einbeziehung aller ethnischen und religiösen Gruppen, unter Einbeziehung aller Menschen, das heißt insbesondere auch der Frauen in diesem Land», so die Grünen-Politikerin. Europa werde Syrien unterstützen, aber nicht zum Geldgeber neuer islamistischer Strukturen werden, betonte Baerbock. 

Kein Handschlag für Baerbock

Baerbock und Barrot waren zuvor vom syrischen De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa empfangen worden. Während der Islamist die Deutsche nicht per Handschlag begrüßte, streckte er dem Franzosen die Hand entgegen. Barrot erwiderte die Geste nur zögerlich.

Baerbock sagte dazu später auf Nachfrage einer Journalistin, ihr sei bereits bei ihrer Ankunft klar gewesen, dass es keinen Handschlag geben werde. In dem Gespräch mit al-Scharaa habe sie dann aber sehr deutlich gemacht, dass Frauenrechte ein Gradmesser dafür seien, wie frei eine Gesellschaft sei. Aus Delegationskreisen war zu hören, dass al-Scharaa am Ende des Gesprächs noch mal die Hand ausgestreckt habe, es dann aber nicht mehr zu einem Handschlag gekommen sei.

Zweifel an den moderaten Tönen

Al-Scharaa ist Anführer der islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die den Sturz von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad vor gut vier Wochen maßgeblich herbeigeführt hatte. Er war früher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani bekannt. 

Die Gruppe HTS ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Al-Scharaa hatte sich von Al-Kaida und der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) losgesagt und einen gemäßigten Kurs angekündigt.

Trotzdem kommen immer wieder Zweifel an der Wahrhaftigkeit der moderaten Töne aus Damaskus auf. So zog die Übergangsregierung etwa Kritik wegen Lehrplanänderungen auf sich, die nach Ansicht von Kritikern eine ideologische Prägung erkennen lassen. Bis heute gibt es Berichte, denen zufolge die HTS-Führung den Kontakt zu Al-Kaida hält.

Experte: Verweigerter Handschlag nicht gut

Der frühere Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, bewertete den verweigerten Handschlag als schlechtes Zeichen. «Das ist nicht gut, auch wenn wir das aus anderen Ländern kennen, wo extrem konservativ-islamische Männer an der Macht sind: Iran etwa und bis vor einiger Zeit auch Saudi-Arabien», sagte Perthes dem «Stern» Er fügte hinzu: «In Syrien gehört das nicht zur Tradition. Ich hoffe, dass al-Scharaa dafür auch in Syrien kritisiert werden wird.»

Baerbock fordert Gerechtigkeit für Assad-Opfer

Gleich zu Beginn ihres Besuches ließen sich Baerbock und Barrot im berüchtigten Gefängnis Saidnaja nördlich der Hauptstadt von der Zivilschutzorganisation Weißhelme über die Gräuel der Folterer aus der Zeit der Assad-Herrschaft informieren. Die Minister wurden aufgefordert, Masken und Gummihandschuhe überzuziehen - angesichts des Gestanks von Urin und Kot in den von dreckigen Kleidungsstücken und leeren Tablettenschachteln übersäten Zellen. 

Saidnaja gilt als das wohl berüchtigtste Militärgefängnis aus der Assad-Herrschaft. Im Volksmund wurde es nur das «Schlachthaus» genannt.

Die Weißhelme flehten Baerbock und Barrot regelrecht an, sich dafür einzusetzen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt. Ganz zum Schluss hatten sie den Europäern die berüchtigte Menschenpresse gezeigt. Frauen und Männer sollen darin zu Tode gequetscht worden sein.

Baerbock: Die Menschen gingen durch Hölle

«Den Horror mancher Orte kann man sich einfach nicht vorstellen», zeigte sich Baerbock erschüttert. «Aber Menschen sind hier in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus durch die Hölle gegangen. Wurden umgebracht mit Methoden, die man sich in einer zivilisierten Welt nicht vorstellen kann.» 

Man könne die Leben der dort gestorbenen Opfer des Assad-Regimes nicht zurückbringen. «Aber wir können alle als internationale Gemeinschaft dazu beitragen, dass es zu Gerechtigkeit kommt.» Unter anderem dafür sei man nach Damaskus gekommen, ergänzt Baerbock: «Um deutlich zu machen, dass wir auch bei der Frage der Beweissammlung, der Gerechtigkeit, der Aufklärung dieser schlimmen Verbrechen den Menschen hier in Syrien zur Seite stehen.»

Assads Prunkpalast als krasses Gegenbild

Der Kontrast zwischen dem Gefängnis und dem Präsidentenpalast, in dem Baerbock und Barrot empfangen wurden, könnte kaum größer sein. Riesige Hallen, ein dutzender Meter langer roter Teppich, in dem Raum, in dem der al-Scharaa die Europäer zum Gespräch empfing, stehen noch Assads Intarsien-Möbel. 

Auf die Frage, ob sie sich für eine baldige Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien einsetze, reagierte Baerbock mit Zurückhaltung. Das hänge davon ab, wie der politische Prozess gestaltet werde. 

Sie sei nach Syrien gereist, um mit der Übergangsregierung und anderen Akteuren darüber zu sprechen, «ob so ein politischer, inklusiver Prozess möglich ist, ob das Einhalten von Menschenrechten wirklich garantiert werden kann. Und daran knüpft sich auch die ganze Frage von der Sanktionsaufhebung», sagte die Ministerin.

Frage nach Rückkehr von Flüchtlingen 

Ob Menschenrechte und Sicherheit gewährleistet sind, sei auch grundlegend bei der Frage nach der Rückkehr von Flüchtlingen, sagte Baerbock. «Menschen kehren nur zurück, wenn sie sicher sind, dass sie nicht wieder in solchen Folterknästen oder in islamistischen Folterknästen landen. Deswegen ist der politische Prozess so essenziell», so die Ministerin.

Syrien ist nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg zersplittert und konfessionell gespalten. Auch nach dem Sturz Assads kämpfen verfeindete Milizen um die Macht. Beinahe gleichzeitig zu Barbocks Besuch in Damaskus kam zu Berichten zufolge zu schweren Gefechten im Norden des Landes zwischen protürkischen Milizen und kurdischen Kräften, die große Teile des Landes kontrollieren.

Bundesregierung / Konflikte / Krieg / Diplomatie / Internationale Beziehung / EU / Syrien / Deutschland / Frankreich / Zypern
03.01.2025 · 22:23 Uhr
[5 Kommentare]
Luisa Neubauer (Archiv)
Berlin - Die hiesige Klimaschutz-Bewegung ist nach Ansicht von Luisa Neubauer zu bequem. Die Frontfrau der deutschen Sektion von Fridays for Future sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Umweltaktivisten hätten es sich im Meinungskampf zu leicht gemacht in der Überzeugung, alle Argumente auf ihrer Seite zu haben. "Das ist ja die Achillesferse der Ökos: Man denkt, man hat recht, […] (00)
vor 6 Minuten
Sarah Ferguson
(BANG) - Sarah Ferguson soll Berichten zufolge von der royalen Familie und der High Society ausgeschlossen worden sein. Freunde der ehemaligen Herzogin äußerten diese Behauptung, während sie sich darauf vorbereitet, ihr langjähriges Zuhause, die Royal Lodge, zu verlassen – nachdem sie und ihr Ehemann Andrew Mountbatten Windsor aufgrund ihrer Verbindungen zum verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey […] (00)
vor 2 Stunden
Beurer – Vielfältige Auswahl an Tageslichtlampen für mehr Wohlbefinden in der dunklen Jahreszeit
In den grauen, dunklen Herbst- und Wintermonaten fehlt oft das natürliche Tageslicht. Die Folge kann ein Stimmungstief sein mit Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Schlafproblemen. Eine einfache Möglichkeit, um diesem Winterblues entgegenzuwirken, ist die Lichttherapie mit einer Tageslichtlampe von Beurer. Ob im Büro, im Homeoffice oder gemütlich zu Hause – Beurer Tageslichtlampen bringen das […] (00)
vor 4 Stunden
Square Enix gibt Entlassungen bekannt: Über 100 Mitarbeiter in UK & US betroffen
Ein tiefgreifendes Beben erschüttert die westlichen Niederlassungen des japanischen Spielegiganten Square Enix. Berichte über massive Entlassungen in den Büros im Vereinigten Königreich sowie den Vereinigten Staaten machen die Runde und zeichnen das düstere Bild einer fundamentalen Reorganisation. Während eine exakte Zahl der betroffenen Mitarbeiter noch nicht final bestätigt wurde, deuten […] (00)
vor 6 Minuten
Kimora Lee Simmons kehrt mit neuer Realityshow zurück
Der Fernsehsender E! wird «Back in the Fab Lane» ausstrahlen. Startschuss ist im Dezember. Die „Queen of Fabulosity“ ist wieder da: Kimora Lee Simmons, einst Model, Unternehmerin und Reality-TV-Pionierin, feiert ihr Comeback auf E!. Ihre neue Serie Kimora: Back in the Fab Lane startet am 2. Dezember um 22 Uhr mit einer Doppelfolge. Im frisch veröffentlichten Trailer zeigt sich die fünffache Mutter gewohnt glamourös – und kämpft als […] (00)
vor 1 Stunde
Werder Bremen - VfL Wolfsburg
Bremen (dpa) - Die Spieler schlichen ratlos zu den wütenden Fans, Trainer Paul Simonis muss nach einer Last-Minute-Pleite mehr denn je um seinen Job beim VfL Wolfsburg bangen. Die Niedersachsen verloren zum Auftakt des zehnten Spieltages beim SV Werder Bremen mit 1: 2 (0: 1) - die Gegentore fielen in der 83. und der vierten Minute der Nachspielzeit. Trainer und Kapitän mit schonungslosem Fazit […] (09)
vor 11 Stunden
btc, bitcoin, cryptocurrency, crypto, money, currency, coin, finance, mining, payment, cash, internet, blockchain, gold, crypto-currency, business, cryptography, digital, financial, banking, electronic, network, stack, new order, bitcoin, bitcoin, bitcoin
Nach einer weiteren Korrektur am Freitagmorgen begann sich der Kryptowährungsmarkt im Laufe des Tages zu erholen, angeführt von BTC und ETH. Letztere fiel auf 3.200$, sprang jedoch später auf fast 3.500$ und liegt nun um 4,5% höher als am Vortag. Trotz dieser kurzfristigen Schwankungen und des allgemeinen monatlichen Rückgangs von ETH bleiben Analysten optimistisch bezüglich der langfristigen […] (00)
vor 29 Minuten
Gutes besser machen: Der Hygrotherm ETF 012 in neuer Bauform
Schwäbisch Hall, 08.11.2025 (PresseBox) - Der neue ETF 012 von STEGO ist die evolutionäre Antwort auf steigende Anforderungen in der Schaltanlagenklimatisierung. Basierend auf jahrzehntelanger Anwendungserfahrung wurde der bewährte Hygrotherm vollständig überarbeitet - und setzt mit optimierter Funktionalität, platzsparendem Design und internationalen Einsatzmöglichkeiten neue Maßstäbe. Schmaler […] (00)
vor 2 Stunden
 
Tabletten (Archiv)
Berlin - Der Versuch der Bundesregierung, mit geänderten Einkaufsregeln für Antibiotika die […] (02)
Älteres Paar (Archiv)
Kassel - Die Präsidentin des Bundessozialgerichts, Christine Fuchsloch, sieht eine […] (06)
Bär gegen die Empörungskultur – Karneval wird wieder politisch
Ein Satz, der die Debatte neu entfacht Kaum kündigt sich die fünfte Jahreszeit an, ist der […] (03)
Nato-Generalsekretär Mark Rutte
Berlin (dpa) - Die Nato will künftig zur Abschreckung vor allem Russlands stärker die eigenen […] (02)
Dinkum startet weltweit auf Nintendo Switch
KRAFTON, Inc. und Solo-Entwickler James Bendon geben heute bekannt, dass das beliebte Survival- […] (00)
iPhone Air 2 soll zwei Kameras bieten
Laut einem Leaker könnte das iPhone Air der zweiten Generation über zwei Kameras verfügen. Das […] (00)
«Monster»: Sarah Paulson kehrt zu Ryan Murphy zurück
Die Netflix’ Anthologie-Serie widmet sich diesmal Lizzie Borden – Paulson übernimmt eine prominente […] (00)
Liam Payne starb am 16. October 2024.
(BANG) - Die abschließende Untersuchung zum Tod von Liam Payne wurde auf 2026 verschoben, da […] (00)
 
 
Suchbegriff