Atmende Kristalle: Neue Materialien könnten Brennstoffzellen effizienter machen
Ein neu entwickeltes Metalloxid mit der Fähigkeit, Sauerstoff reversibel abzugeben und wieder aufzunehmen, rückt Brennstoffzellen in den Mittelpunkt einer möglichen Effizienzoffensive. Das Material, ein nanostrukturiertes Perowskit-ähnliches Oxid mit gezielt eingestellten Sauerstoffleerstellen, zeigt seinen „Atem“ unter vergleichsweise moderaten Bedingungen und stabiler Kristallordnung. Für Brennstoffzellen, die auf eine präzise Steuerung von Sauerstoffpartialdruck und -transport angewiesen sind, eröffnet das die Aussicht auf geringeren Verschleiß, bessere Regelbarkeit und längere Standzeiten. Hinter der Entwicklung steht ein Verbund aus Materialwissenschaftler:innen und Elektrochemiker:innen aus Japan und Südkorea; die Arbeit verbindet Kristallchemie, Dünnschichttechnologie und in situ-Analytik zu einem funktionsfähigen Konzept.

Sauerstoffmanagement als Kernproblem der Brennstoffzelle
Brennstoffzellen wandeln die chemische Energie von Wasserstoff über elektrochemische Reaktionen in elektrische Energie um. Auf der Kathodenseite entscheidet die Verfügbarkeit von Sauerstoff über Reaktionsgeschwindigkeit, Wirkungsgrad und Alterung zentraler Komponenten. In heutigen Systemen wird diese Stellgröße meist über Gasführung, Katalysatorformulierungen und temperaturabhängige Materialien beeinflusst. Dabei treten Zielkonflikte auf: Werkstoffe, die Sauerstoff gut speichern oder transportieren, verlieren oft unter zyklischer Belastung an Strukturstabilität; umgekehrt sind sehr robuste Materialien häufig träge und nur bei hohen Temperaturen aktiv. Das nun vorgestellte Kristall adressiert diese Lücke, indem es Sauerstoff gezielt ein- und auslagern kann, ohne seine Gitterordnung zu verlieren. Der reversible Wechsel wirkt wie ein Puffer, der lokale Konzentrationen glättet und damit sowohl Spannungsschwankungen als auch Degradationsmechanismen dämpft.
Im Zentrum steht eine fein austarierte elektronische Struktur der Übergangsmetall-Ionen und eine Architektur, die Wärmeleitung und Sauerstoffdiffusion auf kurzen Längenskalen begünstigt. Wird das Material moderat erwärmt oder ändert sich der Sauerstoffpartialdruck, verlagert sich der Gleichgewichtszustand: Sauerstoff wird abgegeben, Leerstellen entstehen und die Leitfähigkeit ändert sich in reproduzierbarer Weise. Sinkt die Temperatur oder steigt der Partialdruck, nimmt das Gitter den Sauerstoff wieder auf und kehrt in den Ausgangszustand zurück. Für Brennstoffzellen erlaubt das eine Art „Atemregler“ unmittelbar an den aktiven Zonen, der Lastwechsel abfedert und Hotspots vermeidet, ohne die Systemtemperatur drastisch anheben zu müssen.
Vom Laboreffekt zur Komponente: Integration und Nutzen
Damit der Effekt in Geräten greift, muss das Material als Dünnschicht, Beschichtung oder poröser Festkörper in die Kathodenumgebung integriert werden. Hier spielen die Kompatibilität mit gängigen Katalysatoren und Trägermaterialien, die Mikrostruktur der Körner und Grenzflächen sowie die mechanische Stabilität unter Feuchte und Temperaturzyklen zentrale Rollen. In Versuchsaufbauten zeigen Probekörper, dass der Sauerstoffumsatz über zahlreiche Zyklen reversibel bleibt und die elektrischen Eigenschaften in definierten Fenstern steuerbar sind. Für die Praxis relevant ist zudem, dass die Aktivierung nicht erst bei extremen Temperaturen einsetzt, sondern in Bereichen, die mit polymerbasierten und oxidkeramischen Brennstoffzellen vereinbar sind. Bei erfolgreicher Skalierung könnten dadurch Start-up-Zeiten sinken, die Toleranz gegenüber dynamischen Lastprofilen steigen und die Gesamtbetriebskosten über die Lebensdauer spürbar fallen.
Ein weiterer möglicher Vorteil liegt in der Kopplung von Sauerstoffpufferung und Wärmehaushalt. Da der Ein- und Ausbau von Sauerstoff mit messbaren Änderungen der Leitfähigkeit und geringer Wärmefreisetzung einhergeht, sind Rückkopplungen denkbar, die die Regelung vereinfachen. Für Entwickler:innen von Stack-Designs ergibt sich damit ein zusätzlicher Freiheitsgrad: Sauerstoff wird nicht mehr ausschließlich über die Strömungstechnik dosiert, sondern zusätzlich über einen Festkörper, der nahe an der Reaktionszone arbeitet. In Demonstrationen betonen beteiligte Forscher:innen, dass die Reversibilität des Vorgangs unter milden Bedingungen den „Schritt zu Materialien ermöglicht, die sich in Echtzeit an wechselnde Betriebszustände anpassen“ – eine Eigenschaft, die gerade für mobile Anwendungen mit häufigen Lastwechseln entscheidend ist.
Kann die Technologie auch in der Praxis eingesetzt werden?
Der Weg in die Anwendung hängt von drei Faktoren ab: Langzeitstabilität, Fertigung und Systemintegration. Unter Langzeitstabilität fallen die Beständigkeit der Kristallstruktur gegen Sauerstoffzyklierung, die Resistenz gegenüber Verunreinigungen wie CO, Schwefel oder Halogenen sowie das Verhalten unter Feuchteeinfluss. In der Fertigung geht es um reproduzierbare Zusammensetzung, kontrollierte Porenarchitektur und kosteneffiziente Beschichtungsverfahren für größere Flächen. In der Systemintegration schließlich müssen Kontaktwiderstände minimiert, thermische Gradienten gemanagt und das Zusammenspiel mit Katalysatorpartikeln dauerhaft sichergestellt werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Sauerstoffaufnahme und -abgabe ohne strukturellen Zerfall über viele Zyklen möglich ist und die Materialantwort reproduzierbar bleibt; Forscher:innen sprechen von einem „robusten, reversiblen Schaltverhalten“ auf Kristallebene, das sich in funktionelle Schichten übertragen lässt.
Gelingt die Überführung in praxistaugliche Bauteile, könnte das Material mehrere Engpässe heutiger Brennstoffzellen entschärfen: effizientere Nutzung des zugeführten Sauerstoffs, geringerer Katalysatorverschleiß, höhere Toleranz gegenüber Schnelllastwechseln und ein stabilerer Betrieb über breite Temperaturfenster. Zusammen genommen würde dies die spezifischen Kosten pro erzeugter Kilowattstunde senken und die Attraktivität für Anwendungen vom Schwerlastverkehr bis zur netzdienlichen, stationären Stromerzeugung erhöhen. Die Entdeckung ist damit weniger ein spektakulärer Einzeleffekt als ein fehlendes Bindeglied zwischen Kristallchemie und Systemtechnik – mit dem Potenzial, Brennstoffzellen vom sensiblen Hochleistungsgerät zur robusten Alltagsmaschine weiterzuentwickeln.

