Analyse: Berlusconi überlebt Gipfel
Der 72-jährige Gastgeber der großen Acht konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit und holte sogar Komplimente seiner Kollegen zur Organisation des Gipfels ein.
Und er machte einen für seine Person bemerkenswert weiten Bogen um Fallen und Fettnäpfchen - Fragen zum Image von «Bella Italia», das er doch gegenwärtig mit Negativ-Schlagzeilen fast allein verkörpert, wich er beharrlich aus. Er konterte mit seinen hohen Umfragewerten als Regierungschef, womit er auf Augenhöhe mit Barack Obama sei.
Berlusconi brachte das Treffen nervös, mit ernster Miene und erstaunlich wenig zu skurrilen Scherzen aufgelegt über die Runden. Die unruhige Erde von L'Aquila bebte auch nur in kleinen Stößen, der Plan B für eine dramatische Evakuierung des Tagungsortes Coppito bei L'Aquila konnte in den Schubladen bleiben. Das Treffen machte zwar die Abruzzen für ein paar Tage zum politischen Nabel der Welt, den Gastgeber Berlusconi aber damit beileibe nicht zur G8-Leitfigur.
Wenn in L'Aquila jemand im Rampenlicht stand und eine Zukunft für die Industriestaaten und die ganze Welt signalisierte, dann war es US-Präsident Barack Obama. Und der ist ein Vierteljahrhundert jünger als der Mailänder Medienmogul und Milliardär. Vor Obamas Wahl hatte Berlusconi noch gescherzt, er bevorzuge dessen Gegner John McCain, nicht wegen politischer Nähe, «sondern weil ich dann bei unserem G8-Gipfel nicht der Älteste bin». Das blieb ein Wunschtraum, und der Cavaliere wirkte neben dem drahtigen Obama ganz wie ein Mann des 20. Jahrhunderts - irgendwie passend zu dem Bild einer G8-Gruppe, die sich überlebt hat und auf die Höhe der Zeit gebracht werden muss.
«Es gibt zwei Arten der Realität, die des Mannes von der Straße und die andere der Zeitungen, die reine Fantasie ist.» So macht er einmal mehr Front gegen ungeliebte Printmedien vor allem in Italien, Spanien und England, die seine persönliche Schwäche fürs weibliche Geschlecht weidlich ausschlachten. «Glückwunsch. Ihr habt nicht bekommen, was ihr wolltet», schmettert er auf dem Gipfel ironisch eine Frage der linksliberalen «La Repubblica» zum Image Italiens und seiner Person ab. Hatte nicht auch Obamas die Gipfel-Organisation gelobt und sich so auf seine Seite gestellt? Das gab Berlusconi dem Mann dann zurück, der ihm beim Besuch der verwüsteten Innenstadt von L'Aquila als tröstende Geste den Arm auf die Schulter legte: «Obama hat sich an die Spitze der Klima-Bewegung gestellt», lobt Berlusconi.
So brachte der Gipfel etwas Balsam für den Cavaliere und die italienische Seele. Auf politisch und seismisch schwankenden Grund stand er hier. Einmal stolpert er kurz, als er spät abends von der Pressetribüne kommt, sofort gestützt von Sicherheitsbeamten. «Ich bin todmüde», so sein knapper Kommentar. Die Anspannung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Nach den turbulenten Wochen in Rom, in denen auch schon von Neuwahlen wegen der Affären die Rede war, sollte der G8 nicht auch zum Scherbenhaufen werden - danach würde man sehen.
Das Klassentreffen der Reichen kurzerhand der von der Insel La Maddalena in die geschundenden Abruzzen verlegt zu haben, kam trotz organisatorischer Unzulänglichkeiten doch gut an. «Er hat es richtig gemacht, uns hierher zu bringen, so dass wir das ganze Ausmaß der Verwüstung durch das Erdbeben und den begonnenen Wiederaufbau sehen konnten», sagte der britische Premier Gordon Brown anerkennend. Da kam auch Berlusconi selbst nicht darum herum, sich wieder einmal selbst zu loben: «Ich bin stolz darauf, fast ein Wunder bewerkstelligt zu haben.» Gemeint war die Organisation dieses improvisierten Gipfels. Ein Wunder allerdings, das die pikanten Partyfotos und Aussagen der Damenunterwelt zu seinem Liebesleben aus der Welt schaffen kann, das gibt es nicht.