Technologie-Boom: Deutsche Start-ups auf der Überholspur im globalen Investorenrennen
Der anhaltende Aufschwung in den Bereichen künstliche Intelligenz und Rüstung öffnet deutschen Start-ups neue Türen zu frischem Kapital. Laut dem neuesten Bericht des Londoner Risikokapitalgebers Atomico sollen Techfirmen in Deutschland in diesem Jahr etwa 7,4 Milliarden Dollar, umgerechnet rund 6,4 Milliarden Euro, von Investoren anziehen. Das entspricht einem Anstieg von mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit sichert sich Deutschland im europäischen Vergleich den zweiten Platz hinter Großbritannien. Insgesamt erwarten die Experten europaweit ein Wachstum der Wagniskapitalinvestitionen um sieben Prozent auf 44 Milliarden Dollar.
Atomico-Partner Tom Wehmeier betont die transformative Kraft der Technologie, die weit über bloße Wirtschaftszweige hinausgeht und heute Bereiche wie Verwaltung, Verteidigung, Energieversorgung, das Bankwesen und das Gesundheitswesen revolutioniert. Eine bedeutende Rolle spielen dabei Deep Tech und Künstliche Intelligenz, die 36 Prozent der europaweiten Investitionen auf sich vereinen. Besonders bemerkenswert ist der Zuwachs bei technologischen Lösungen für die Rüstungsindustrie, die um beeindruckende 55 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar ansteigen. An der Spitze steht das Münchner Start-up Helsing, das sich auf KI-Lösungen für Rüstungsfirmen spezialisiert hat und im Juni satte 660 Millionen Dollar sichern konnte.
Auch die Attraktivität deutscher Investoren steigt, wie der Aufstieg dreier deutscher Fonds in die europäische Top Ten eindrucksvoll zeigt. Während London im Vorjahr noch die Wagniskapitalszene dominierte, verzeichnen deutsche Fonds in diesem Jahr einen deutlichen Aufschwung. Für 2025 prognostiziert Atomico Investitionen von rund 14 Milliarden Euro in den Bereich KI. Hierzu zählen Vorreiter wie DeepL aus Köln, Aleph Alpha aus Heidelberg und die Softwarefirma Lovable aus Stockholm. Dennoch, die USA sind dem europäischen Markt weit voraus mit Investitionen von 146 Milliarden Dollar in KI allein dieses Jahr, was mehr als das Zehnfache der europäischen Summe ist.
Obwohl Europa bei Neugründungen mit den USA mithalten kann, mangelt es an ausreichendem Wagniskapital. Größere Techfirmen erwägen häufig den Sprung über den Atlantik, um von den dortigen großen Investoren zu profitieren. Besonders deutlich wird dieses Defizit durch das geringe Engagement europäischer Pensionsfonds in Wagniskapital, das dreimal niedriger ist als in den USA. Ein neuer, europaweiter Ansatz sei nötig, um Unternehmertum stärker zu fördern, so Atomico. Derzeit kooperieren nur 20 Prozent der Großunternehmen mit Start-ups, während es in den USA die Hälfte ist. Im Bereich der öffentlichen Aufträge fließen in Europa nur neun Prozent in innovative Projekte, gegenüber 20 Prozent in den USA.
Europa sieht sich auch mit einem Flickenteppich nationaler Vorschriften konfrontiert, der die Gründung und Expansion erschwert. Ein einheitlicher Rahmen sei erforderlich, um Gründern zu ermöglichen, innerhalb von 48 Stunden digital zu gründen, Kapital zu beschaffen und nahtlos grenzüberschreitend zu operieren.

