ÖPNV-Streik trifft Baden-Württemberg: Prüfungsstress und Pendlerfrust
Wie ein Donnerschlag in der frühen Dämmerung hat der Streikaufruf der Gewerkschaft Verdi den öffentlichen Nahverkehr in Teilen Baden-Württembergs lahmgelegt. Mit dem Startschuss in den frühen Morgenstunden sind in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz die Räder von Bussen und Bahnen zum Stillstand gekommen. Die Reisplanung vieler Bürger, darunter auch zahlreiche Schüler, die zu ihren Abiturprüfungen aufbrechen, erfährt eine unerwartete Neujustierung.
Betroffen sind nicht nur tägliche Routinen, sondern auch zukunftsweisende Ereignisse im Leben der jungen Erwachsenen: Gymnasiasten, die anstehende Prüfungen in Biologie und dessen englischsprachiger Variante zu meistern haben, sehen sich nun verstärkt mit alternativen Transportmöglichkeiten konfrontiert. Die Gelassenheit der Schulbehörden spiegelt sich in der Gnadenfrist von 30 Minuten wider, doch hinter den Kulissen dürfte so mancher Schülerpuls schneller schlagen.
Der Tauziehwettkampf zwischen der Gewerkschaft Verdi und den Nahverkehrsbetrieben scheint kein Ende zu finden. Bereits seit Ende Januar ringen die Parteien um Konsens. Nach vier Runden intensiven Austauschs und einer offenen Ablehnung seitens Verdis im März, folgte die überwältigende Zustimmung der Gewerkschaftsmitglieder zu unbegrenzten Streiks. Die Fronten haben sich verhärtet; der Dialog zwischen Belegschaft und Kommunalem Arbeitgeberverband (KAV) droht zu einer Sisyphusarbeit zu werden.
Inmitten des Disputs stehen Arbeitszeitverkürzung und eine angemessene Schichtzulage im Fahrpersonalbereich als Kernforderungen von Verdi. Die Hoffnung, unbezahlte Wegezeiten und Verspätungen als Arbeitszeit anerkennen zu lassen, spannt einen zusätzlichen Bogen in den Forderungskatalog der Gewerkschaft. Die Betroffenenliste ist lang und umfasst ca. 6500 Beschäftigte im Land.
Die letzte Angebotspräsentation durch die Arbeitgeber verhallte, trotz einer als großzügig empfundenen Entgegenkunft, im Raum des Ungehörten. KAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvana Donath artikuliert die Perspektiven der Arbeitgeber deutlich und sieht in den Forderungen Verdis eine finanzielle Zumutung für die Steuerzahler. Der Aufruf, Verständnis für die Strapazen der Pendler aufzubringen, wird laut. Mit der nächsten Verhandlungsrunde in greifbarer Nähe bleibt zu hoffen, dass der angespannte Griff um die Tarifforderungen gelockert wird und eine tragfähige Lösung gefunden werden kann. (eulerpool-AFX)