Nexperia-Krise eskaliert – droht Autobauern der nächste Chip-Schock?
Offener Brief, offene Fronten
Der Halbleiterhersteller Nexperia schlägt Alarm: In einem ungewöhnlich scharfen offenen Brief fordert die niederländische Tochterfirma ihren chinesischen Mutterkonzern Wingtech auf, die gewohnten Lieferketten wiederherzustellen. Mehrere Kunden meldeten bereits „bevorstehende Produktionsausfälle“, heißt es – ein Hinweis darauf, dass es hinter den Kulissen längst brennt.
Wingtech weist die Vorwürfe jedoch kategorisch zurück und spricht von „irreführenden“ Anschuldigungen. Der Ursprung des Chaos liege vielmehr in der „rechtswidrigen Entziehung der Kontrolle“ durch die niederländische Regierung, die sich im September unter Berufung auf ein altes Sicherheitsgesetz Zugriff auf das Unternehmen gesichert hatte.
Geopolitik trifft Fahrzeugbau
Der Konflikt ist längst mehr als ein Streit zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Durch den chinesischen Exportstopp sind die Lieferungen zentraler Bauteile blockiert – kleiner, technisch unspektakulärer Chips wie Dioden, Transistoren und Energieverwaltungsbausteine. Doch gerade diese „Foundation-Chips“ sitzen in praktisch jeder Fahrzeugarchitektur: in Airbags, Sensoren, Batterieanbindung, Steuergeräten und Entertainment-Systemen.
Für die Autoindustrie bedeutet das: Jeder Ausfall kann die komplette Fertigung ins Straucheln bringen. Schon im Herbst warnten Nissan, Bosch und mehrere deutsche Hersteller vor möglichen Engpässen. Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW arbeiten seither mit Notfallplänen und zusätzlichen Pufferbeständen.
Kurze Entspannung – lange Unsicherheit
Zwar hat die niederländische Regierung ihre Intervention zuletzt pausiert, doch eine echte Entwarnung ist das nicht. Nexperia betont weiterhin, dass die Lage „nicht bestehen bleiben“ könne, während Wingtech der Gegenseite vorwirft, Zeit zu schinden, um eine „entchinaisierte Lieferkette“ aufzubauen.
Der deutsche Automobilverband sieht die kommenden Monate kritisch: Die Versorgung sei stabil – aber nur dank massiver Anstrengungen der Hersteller. Für das erste Quartal 2026 erwartet der Verband erhöhte Risiken und warnt vor einer weiterhin „unsicheren“ Verfügbarkeit essenzieller Komponenten.
Müssen BMW, Mercedes & VW wieder zittern?
An der Börse laufen die deutschen Hersteller bislang gut, alle drei Marken liegen seit Jahresbeginn zweistellig im Plus. Doch die Nexperia-Krise holt Erinnerungen an die globale Chipknappheit von 2021 zurück – und könnte kurz vor dem Jahreswechsel erneut zum Risiko werden.
Ob es erneut zu Produktionsstopps kommt, hängt nun von geopolitischen Entscheidungen ab, nicht vom technischen Fortschritt. Und genau das macht die Lage so brisant: Die Autoindustrie steht vor einer Chipkrise, die nicht aus Nachfrageboom oder Fabrikausfällen entsteht – sondern aus politischem Machtpoker.


