Neue EU-Schuldenregeln könnten wohltätige Investitionen gefährden
Eine aktuelle Studie wirft Schatten auf die geplanten europäischen Schuldenregeln, indem sie vorhersagt, dass notwendige Investitionen in Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Umweltschutz stark eingeschränkt werden könnten, sobald diese Regeln in Kraft treten. Laut dem Bericht, der gemeinsam vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) erarbeitet und veröffentlicht wurde, haben nur drei Länder – Dänemark, Schweden und Irland – die wirtschaftliche Kapazität sich entsprechende Ausgaben unter den neuen Vorgaben leisten zu können. Des Weiteren stellen die Autoren der Studie fest, dass die vorgeschlagenen Vorschriften Europa nicht nur ökonomisch schwächen, sondern auch das Sozialgefüge der EU untergraben würden. Esther Lynch, Generalsekretärin des EGB, bringt es auf den Punkt, indem sie die Folgen der Annahme dieser Regeln in ein düsteres Licht rückt: weniger Krankenhäuser, Schulen und bezahlbarer Wohnraum zu einer Zeit, in der alle drei Sektoren bereits unter zunehmendem Druck stehen. Trotz der Bedenken, die im langwierigen Diskussionsprozess der EU-Länder und des Europäischen Parlaments laut wurden, wurde man sich über neue Schuldenobergrenzen einig. Dabei sollen die einzelstaatlichen Gegebenheiten erstmals größere Berücksichtigung finden. Doch gelten weiterhin die Grenzen von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Staatsverschuldung und von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Finanzierungsdefizit. Die Kritik an den Regeln ist nicht neu, vielfach wurde betont, dass essenzielle Investitionen, insbesondere im Umwelt- und Sozialsektor, regelrecht erstickt würden. Entgegen der Kritik hatte die belgische EU-Ratspräsidentschaft betont, dass eben jene Regeln dazu beitragen würden, eine ausgewogene und tragfähige öffentliche Finanzpolitik sowie notwendige Strukturreformen zu fördern. Die bestätigende Abstimmung des Europaparlaments und des EU-Ministerrats steht noch aus und ist für Ende April vorgesehen. In ihrer Argumentation berufen sich die Autoren des Berichts auf Zahlen der Europäischen Kommission, die darauf hinweisen, dass bereits jetzt Investitionen in die soziale Infrastruktur Europas jedes Jahr um beträchtliche 192 Milliarden Euro hinter dem eigentlichen Bedarf zurückbleiben. Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass die geplanten Haushaltsregelungen den sozialen und Öko-Zielen der EU ganz und gar entgegenwirken könnten. Um allen EU-Mitgliedstaaten eine adäquate Finanzierung ihrer sozialen und grünen Investitionen zu ermöglichen, prognostizieren die Verfasser der Studie, dass nach dem Auslaufen des Corona-Aufbaufonds ab 2027 zusätzliche Mittel zwischen 300 und 420 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich seien. Das entspricht 2,1 bis 2,9 Prozent des BIPs der Union. Sie schlagen vor, diesen Bedarf durch flexiblere Haushaltsrichtlinien, neue Steuereinnahmen und die Errichtung eines langfristigen EU-Investitionsfonds zu decken. (eulerpool-AFX)