Retro-Trend in Deutschland

Kulinarisch und kulturell: Comeback der Kartoffel?

17. Februar 2025, 08:04 Uhr · Quelle: dpa
Kartoffelernte
Foto: Michael Reichel/dpa
Ein Korb mit Kartoffeln der Sorte «Gala» steht auf einem Feld in Thüringen. (Foto: Archiv)
Hierzulande ist die Kartoffel im Vergleich zu früher eigentlich in einer Krise: verschmäht, gar verspottet, verdrängt durch Reis, Pasta, sonst was. Doch jetzt plötzlich: ein Lichtblick für die Knolle.

Berlin/Bonn (dpa) - «Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln» lautet eine aus dem Plattdeutschen stammende Redewendung, wenn etwas verwirrend abläuft und widersprüchlich ist. In Deutschland verlor die Kartoffel in den letzten Jahrzehnten an Beliebtheit. Sie wurde als altmodisches Essen verspottet oder war als angeblicher Dickmacher verpönt. Doch nun erlebt der Erdapfel plötzlich ein kleines Comeback. Was ist da los?

Manche Debatte hierzulande lässt einem die Birne weich werden - etwa ob die Bezeichnung «Kartoffel» für (weiße) Deutsche, der in migrantischen Milieus manchmal benutzt wird, liebevoll, bösartig, ironisch, deutschenfeindlich oder sogar rassistisch sei. Als «Ethnophaulismus» (vom altgriechischen «éthnos» für Volk/Stamm und phaúlos für wertlos/schlecht) bezeichnen es Experten, wenn eine ethnisch definierte Gruppe mit einer Bezeichnung herabgewürdigt wird.

Nationale Identitäten sind des Öfteren mit Hilfe von Nahrungsmitteln und Essgewohnheiten umschrieben worden. In Deutschland waren zahlreiche fiese Begriffe im Umlauf, etwa für Italiener, Franzosen, Türken und Japaner. 

Die Deutschen wiederum sind früher von Briten und Amerikanern manchmal «Krauts» genannt worden - wegen des angeblich hohen Sauerkrautkonsums.

Überraschende Rückkehr der Knolle

Heutzutage also die Bezeichnung «Kartoffel»: Seit ein paar Jahrzehnten kursiert dieser Slang-Begriff für Deutsche inzwischen, obwohl in Ländern wie Polen oder Rumänien der Durchschnittsbürger weit mehr Kartoffeln isst.

In Deutschland ist der Pro-Kopf-Verbrauch schon lange nicht mehr so hoch wie noch etwa in den 50er Jahren, als er bei um die 180 Kilogramm pro Person gelegen haben soll. Jetzt aber gibt es eine statistische Überraschung.

«Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln erstmals wieder über 60 Kilogramm», verkündete Ende 2024 die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Sie berief sich aufs Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL). 

63,5 Kilogramm (im Wirtschaftsjahr 2023/24; das meint Juli bis Juni) ist vorläufigen Zahlen zufolge der höchste Pro-Kopf-Verbrauch seit zwölf Jahren. «Im Vergleich zum Vorjahr stieg der rechnerische Verbrauch von Speisefrischkartoffeln um 8,4 Kilogramm pro Person auf 25,5 Kilogramm.» Der Verbrauch von Erzeugnissen wie Pommes, Kartoffelsalat, Chips sank dagegen um ein Pfund auf 38 Kilo.

Warum werden wieder mehr frische Kartoffeln gegessen?

Weshalb so viel mehr Speisefrischkartoffeln gekauft wurden, ist auch den Experten unklar. BZL-Leiter Josef Goos sagt: «Ein möglicher Grund könnte unter anderem sein, dass durch viele Sonderaktionen des Lebensmitteleinzelhandels, wie kleinere Gebindegrößen, Bürgerinnen und Bürger offenbar häufiger zu Kartoffeln griffen.» Auch der gestiegene Absatz etwa bei Direktvermarktern auf Bauernhöfen statt in Supermärkten könnte eine Ursache sein.

Die Kartoffel spielt jedenfalls in der deutschen Geschichte eine besondere Rolle - und auch in der Sprache. Man denke an Redewendungen wie «Jemanden fallen lassen wie eine heiße Kartoffel», «Für jemanden die Kartoffeln aus dem Feuer holen», «Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln».

Mitte des 18. Jahrhunderts trat die aus den Anden in Südamerika stammende Kartoffel ihren Siegeszug an. Der Preußenkönig Friedrich der Große ordnete in den 1750er Jahren den konsequenten Anbau an (sogenannte Kartoffelbefehle). Als erster Herrscher in Europa erkannte der Alte Fritz, dass das leicht anbaubare Nahrungsmittel die häufigen Hungersnöte verhindern könnte.

Wie tief die Verheißung der Kartoffel als rettende Speise in Köpfe verpflanzt wurde, kennen viele aus der eigenen Familie. Verwandte aus der Nachkriegs- oder gar noch Kriegsgeneration waren (oder sind) oft große Kartoffel-Fans. Sie ließen lange Zeit wenig daneben gelten, verweigerten sich «neumodischen Sättigungsbeilagen» wie Nudeln und Reis, erst recht Quinoa und Co.

«Die Kartoffel ist sehr anpassungsfähig und hat sich an unser Klima und unsere Bodenverhältnisse angepasst», sagt der Ernährungssoziologe Stefan Wahlen. Hinzu komme die hohe Ertragssicherheit, im direkten Vergleich mit anderen Kohlenhydratlieferanten wie etwa Weizen. 

Identitätsstiftendes Lebensmittel für die Deutschen

«Daher war und ist die Kartoffel ein günstiges, nahrhaftes und lagerfähiges Nahrungsmittel. Das hatte zur Folge, dass die Kartoffel von einem fremden Lebensmittel so weit adaptiert wurde, dass sie aktiv in die bestehende Ernährungskultur integriert wurde und sogar zu einem identitätsstiftenden Lebensmittel für die Deutschen wurde», erklärt Wahlen, der Professor an der Uni Gießen ist.

«Die Kartoffel wird mit Einfachheit und Bodenständigkeit assoziiert. Dabei sollte niemand unterschätzen, dass sie extrem vielseitig ist.» In Krisen- oder Inflationszeiten könne das erschwingliche Grundnahrungsmittel verschieden zubereitet werden: gekocht, gestampft, gebacken, frittiert, gebraten.

«Die aktuelle Rückbesinnung auf die Kartoffel sehe ich nicht als Zufall», sagt der Soziologe, «sondern als Ergebnis eines Zusammenspiels von kulinarischen Gewohnheiten der Verbraucher und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung auf der Produktionsseite.» 

Die Kartoffel biete sich als ganz praktisch für Verbraucher an, gelte jetzt als preiswert und gesund. Kurz gesagt: Es handelt sich um einen gelungenen Retro-Trend.

Gesellschaft / Ernährung / Agrar / Essen und Trinken / Deutschland
17.02.2025 · 08:04 Uhr
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