Lage im Überblick

Israel fordert Druck auf Hamas - Warnungen vor Gaza-Einnahme

06. August 2025, 05:11 Uhr · Quelle: dpa
Nahostkonflikt - UN-Sicherheitsrat
Foto: Yuki Iwamura/AP/dpa
Vertreter im UN-Sicherheitsrat zeigen Mitgefühl mit den Geiseln in Gaza, üben aber auch Kritik an Israel.
Im UN-Sicherheitsrat fordert Israel die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen und stärkeren Druck auf die Hamas. Doch Mitglieder des Rats sehen auch den jüdischen Staat in der Verantwortung.

Tel Aviv/Gaza/New York (dpa) - Während Israel vor dem UN-Sicherheitsrat mehr internationalen Druck auf die islamistische Terrororganisation Hamas fordert, lösen Berichte über eine mögliche Einnahme des Gazastreifens durch Israel Besorgnis aus. Ein solcher Schritt könne «katastrophale Folgen für Millionen Palästinenser» haben und das Leben der verbleibenden Geiseln in Gaza weiter gefährden, warnte der UN-Diplomat Miroslav Jenca in New York. Israels Außenminister Gideon Saar beschuldigte derweil Länder, die jüngst eine Anerkennung Palästinas als Staat angekündigt hatten, ein Waffenruhe-Abkommen zunichtegemacht zu haben.

«Lassen Sie mich das klarstellen: Diese Länder haben den Krieg verlängert», sagte Saar bei einer von Israel beantragten Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Zuletzt hatten Frankreich und Kanada angekündigt, Palästina als Staat anzuerkennen. Großbritannien drohte Israel ebenfalls mit einem solchen Schritt, falls die israelische Regierung den Gaza-Krieg und das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht beenden sollte. 

Israel: Internationaler Druck muss auf Hamas liegen 

Die Hamas trage mit ihrem Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel nicht nur die Verantwortung für den Beginn des Krieges, sondern auch für dessen Fortdauern, weil sie die Geiseln nicht freilasse und die Waffen nicht niederlege, sagte Saar. «Der internationale Druck muss auf der Hamas liegen», forderte der Außenminister im mächtigsten UN-Gremium. «Alles andere verlängert diesen Krieg nur.» 

Die Islamisten setzten Folter und Hunger gezielt als Propagandamittel ein, sagte Saar und bezog sich auf schockierende Hamas-Videos von abgemagerten Geiseln. Der zuständige UN-Vertreter Jenca verurteilte die Behandlung der Geiseln und bekräftigte die Forderung der Vereinten Nationen nach ihrer bedingungslosen Freilassung. Zugleich wies Jenca auf die katastrophale Situation hin, in der sich mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen wegen der Abschottung des Küstengebiets durch die israelischen Streitkräfte befänden. Nach UN-Angaben droht den Menschen in Gaza eine Hungersnot.

Mitgefühl für Geiseln - aber auch Kritik an Israel

Die weitaus meisten Vertreter im UN-Sicherheitsrat erklärten in der Sitzung zwar ihr Mitgefühl mit den israelischen Geiseln, wiesen aber auch auf die Kriegsführung Israels mit Zehntausenden getöteten Zivilisten hin. Einige Diplomaten forderten von Israel ein Ende des Krieges und der Blockade Gazas. Der palästinensische UN-Botschafter Riad Mansur appellierte an Israel, in Verhandlungen einzutreten. Zwar verurteilte er das Oktober-Massaker der Hamas, Israels Kriegsführung könne diese Tat aber nicht rechtfertigen. 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beriet sich unterdessen mit Armeechef Ejal Zamir über das weitere Vorgehen. Zamir habe dem Regierungschef mögliche Optionen für die Fortsetzung des seit 22 Monaten andauernden Krieges präsentiert, teilte Netanjahus Büro mit. Israelischen Medien zufolge war die vollständige Einnahme des abgeriegelten Gazastreifens nicht unter den vom Generalstabschef dargelegten Optionen. 

Berichte über Pläne für Einnahme ganz Gazas 

Am Montag hatten mehrere israelische Medien übereinstimmend berichtet, Netanjahu dringe trotz Einwänden der Militärführung auf eine vollständige Einnahme des Gazastreifens. Das israelische Sicherheitskabinett müsste einen solchen Plan jedoch erst einmal billigen. Wie der TV-Sender N12 nun berichtete, soll das Gremium am Donnerstag zu Beratungen zusammenkommen.

Netanjahu äußerte sich bisher nicht öffentlich zu den Plänen. Der Sender Kan meldete nach der Beratung mit Generalstabschef Zamir, Netanjahu tendiere weiterhin zur Einnahme des Küstenstreifens - obwohl die Regierung sich bewusst sei, dass ein solches Vorgehen die Geiseln dort wahrscheinlich gefährde. Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 20 lebende Geiseln in der Gewalt der Hamas. 

In der Armeeführung bestehen Medienberichten zufolge große Bedenken, die Kämpfe auszuweiten und den Gazastreifen vollständig einzunehmen, auch weil dies Jahre dauern könne. In der Mitteilung des Büros von Netanjahu hieß es nun: «Die Armee ist bereit, alle Entscheidungen des Sicherheitskabinetts umzusetzen.»

Oppositionsführer warnt

Oppositionsführer Jair Lapid warnte die Regierung davor, Gaza vollständig einnehmen zu lassen. «Das, worauf Kabinett und Regierung zusteuern, wird dazu führen, dass alle Geiseln sterben», schrieb er auf der Plattform X. Sie würden zu Tode gehungert, gefoltert oder bei Einsätzen des israelischen Militärs ums Leben kommen.

Monatelange indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über einen Deal für eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln verliefen bislang ergebnislos. 

«Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal», sagte Netanjahu vor wenigen Tagen nach Veröffentlichung der schockierenden Geisel-Videos durch die Terrororganisation. Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien und die Hamas zu eliminieren. Das Forum der Geisel-Familien kritisierte Netanjahu daraufhin. «Seit 22 Monaten wird der Öffentlichkeit die Illusion verkauft, dass militärischer Druck und intensive Kämpfe die Geiseln zurückbringen werden», hieß es laut der «Times of Israel» in einer Erklärung. 

Debatte im Libanon über Entwaffnung der Hisbollah 

Derweil spitzt sich in Israels nördlichem Nachbarland Libanon die Debatte über eine Entwaffnung der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz zu. Die Hisbollah zeigt sich zwar offen für Gespräche über einen Rückbau ihres Waffenarsenals, will aber keinem konkreten Zeitplan zustimmen, solange Israel weiterhin Angriffe im Libanon führt und seine Truppen nicht abgezogen sind. Das bekräftigte Hisbollah-Generalsekretär Naim Kassim. Nach einer Sitzung des Kabinetts zu dem Thema hieß es, die Diskussion darüber solle auf nächste Woche verschoben werden. 

Gemäß der Vereinbarung über eine Ende November in Kraft getretene Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah soll die Miliz zunächst im Süden des Landes und nahe der Grenze zu Israel entwaffnet werden. Der libanesische Staatspräsident Joseph Aoun, Ministerpräsident Nauaf Salam wie auch die USA und Israel fordern, dass die Hisbollah ihre Waffen an die Armee abgibt. Die Forderung, die Organisation im ganzen Land zu entwaffnen, birgt jedoch politischen Sprengstoff.

Die Hisbollah hat Hunderttausende Anhänger und immer noch großen Einfluss in der Region, vor allem in der schiitischen Gemeinde. Sollte das Kabinett eine Entscheidung über ihre Entwaffnung treffen, könnten Mitglieder der Miliz - die zugleich auch eine politische Partei ist - aus Protest die Regierung verlassen. Es gibt Befürchtungen, dass dies den Libanon in die nächste Krise stürzen könnte.

Krieg / Konflikte / UN / Israel / Palästinensische Gebiete / Libanon
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