Hochwasserschutz in Deutschland: Mangelnde Umsetzung der Schutzkonzepte kritisiert
Nachdem das diesjährige Winterhochwasser verheerende Auswirkungen in Norddeutschland hinterließ, hagelt es Kritik an den Hochwasserschutzmaßnahmen hierzulande. Laut Experten wurden nach Naturkatastrophen wie der Flut im Ahrtal 2021 zwar gute Schutzkonzepte entwickelt, doch die Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Viele der geplanten Schutzmaßnahmen existieren bisher nur auf dem Papier, wie der Aachener Wasserbau-Professor Holger Schüttrumpf kürzlich feststellte. Schüttrumpf leitete vergangene Woche ein Expertentreffen zum Thema Hochwasserschutz in Aachen.
"Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem", resümierte der Experte. Als Beispiel nannte er ein Deich-Ertüchtigungsprogramm, das bereits 2014 im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufen wurde. Von den geplanten 44 Maßnahmen wurden bisher lediglich sechs umgesetzt. Ein nationales Programm aus dem Jahr 2014 umfasst sogar 168 Maßnahmen, von denen bisher nur neun realisiert wurden. "Jede nicht umgesetzte Maßnahme stellt eine Schwachstelle dar und das nächste Hochwasser kommt mit Sicherheit", warnte der Wissenschaftler.
Die dringend benötigte Sanierung der Rheindeiche verzögert sich aufgrund umfangreicher Planungsauflagen zum Beispiel im Naturschutz und aufgrund von Personalmangel in den Verwaltungen oft um mehrere Jahre, kritisierte Holger Friedrich, Sprecher des nordrhein-westfälischen Arbeitskreises Hochwasserschutz und Gewässer sowie Leiter eines großen Deichbauverbandes am Rhein in Emmerich. Von der ersten Planung bis zum Baurecht könne es mittlerweile bis zu zehn Jahren dauern, in der Zwischenzeit wechseln Grundstücke oft den Besitzer, die dann womöglich ihre Zustimmung zum Bau verweigern. Seit Jahren fordert der Experte eine Beschleunigung der Planungsverfahren oder sogar Notgesetze, die dem Hochwasserschutz Vorrang vor Natur- und Denkmalschutz einräumen.
Schüttrumpf betonte, dass allein im Jahr 2021 deutschlandweit mehr als 180 Menschen infolge von Hochwasser ums Leben gekommen sind. Auch bei einer ähnlichen Naturkatastrophe heute wären die Auswirkungen vermutlich ähnlich verheerend. Zwar gibt es mittlerweile Warnmeldungen auf Smartphones, aber den Menschen fehlt es an Erfahrung und Wissen darüber, wie sie sich im Ernstfall verhalten sollen.
Der Staat müsse handeln, forderte der Experte: "Genauso wie in Straßen und Brücken müssen auch konsequent in Hochwasserrückhaltebecken, Deiche und Renaturierung investiert werden." (eulerpool-AFX)