Gespräch: Zollitsch warnt vor Ost-Romantik
Freiburg (dpa) - Zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit hat der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch zu einem dauerhaften Erinnern an die DDR und die deutsche Teilung aufgerufen.
«Die Einheit darf nie Normalität, darf nie zur Selbstverständlichkeit werden», sagte der Freiburger Erzbischof in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. «Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen, müssen sie wach halten und eine romantisierende Ostalgie verhindern.» Die Kirche werde ihren Beitrag dazu leisten. «Gerade unsere Bischöfe aus den neuen Bundesländern mahnen das zu Recht immer wieder an.»
«Wir brauchen eine lebendige Erinnerungskultur, die weit über den Geschichtsunterricht hinausreicht», sagte Zollitsch. Dies diene der Stabilität der Gesellschaft und dem Zusammenhalt.
Der Fall der Mauer mahne alle Deutschen zur fortdauernden Solidarität mit jenen Menschen und Völkern der Welt, die nicht in Freiheit leben. Innerhalb Europas müsse das vereinte Deutschland daher eine starke Rolle in der Friedenspolitik einnehmen. Nach Jahrzehnten des Kalten Kriegs der Militärblöcke in Ost und West habe die Einheit dauerhaften Frieden gebracht. «Ihn zu erhalten und zu stärken, ist uns allen aufgetragen», sagte der Erzbischof.
Zur Situation der katholischen Kirche in den ostdeutschen Bundesländern sagte Zollitsch: «Auch wenn die Kirche in Ostdeutschland eine vergleichsweise kleine Gruppe ist, so erlebe ich sie doch äußerst stark und fest im Glauben. Es gibt dort beeindruckende Zentren des Glaubens, von denen auch der Westen profitiert.»
In der Wendezeit gingen die ostdeutschen Bistümer von rund einer Million Katholiken aus. Heute seien es noch gut 800 000. Durch Abwanderung und Austritte habe die katholische Kirche in Ostdeutschland etliche Mitglieder verloren.
«Wir sind in den neuen Bundesländern wenige, und diese wenigen sind weit verstreut», sagte Zollitsch. Doch er nehme «bei denen, die zur Kirche gehören, eine enge Verbundenheit wahr». Mit einer Trendwende rechne er nicht. «Kirche hat einen Mehrwert, der über das ökonomische Denken, das nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft erfasst hat, weit hinausgeht. Doch dieser Mehrwert wird heute von vielen nicht auf den ersten Blick entdeckt.»