Fed-Zinssenkung offenbart tiefen Riss im Offenmarktausschuss
Die Entscheidung: Dritte Zinssenkung in Folge
Die Fed senkte den Leitzins erneut um 25 Basispunkte. Die Fed Funds Rate liegt nun bei 3,50 bis 3,75 Prozent. Für die Märkte war der Schritt erwartet – für die Währungshüter ist er dennoch brisant.
Schon in den vergangenen beiden Sitzungen hatte die Fed den geldpolitischen Kurs gelockert. Und die Reaktionen an den Finanzmärkten fielen dieses Mal freundlich aus: Der Dow Jones legte mehr als ein Prozent zu, der S&P 500 verfehlte nur knapp sein Allzeithoch, und die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen sank deutlich.
Ökonom Mohamed El-Erian sprach von einer weniger restriktiven Fed-Kommunikation, als viele erwartet hatten.
Veraltete Daten – ein geldpolitischer Blindflug
Eine Besonderheit dieser Sitzung: Die Fed musste ihren Beschluss auf veraltete Konjunkturdaten stützen. Grund ist der wochenlange Government Shutdown, der dazu führte, dass für Oktober weder Inflations- noch Arbeitsmarktdaten vorlagen.
Powell machte deutlich, dass die offiziellen Jobzahlen ein zu optimistisches Bild vermittelten. Seit April seien zwar rechnerisch 40.000 neue Stellen pro Monat entstanden, tatsächlich könnte der Arbeitsmarkt jedoch monatlich rund 20.000 Jobs verlieren. Für eine Notenbank, die sich stark auf Daten stützt, ist das ein kritischer Befund.
Die Richtung stimmt – aber die Risiken bleiben
Trotz der eingeschränkten Datenlage hebt die Fed ihre Wachstumsprognose für 2026 von 1,8 auf 2,3 Prozent an. Gleichzeitig erwartet sie eine geringere Inflation – vor allem aufgrund jüngster Zollmaßnahmen.
Parallel kündigte die Fed den Kauf kurzlaufender US-Staatsanleihen im Volumen von 40 Milliarden Dollar an, um den angespannten Repo-Markt zu stabilisieren und ihre Bilanz zu erweitern. Diese Maßnahme soll noch im laufenden Jahr beginnen und ab 2026 schrittweise zurückgeführt werden.
Der offene Konflikt: Drei Gegenstimmen – ein ungewöhnliches Signal
Neun FOMC-Mitglieder stimmten für die Zinssenkung, drei dagegen – und das aus völlig unterschiedlichen Gründen.
Jeffrey Schmid (Kansas City) wollte keine Senkung. Auch Austan Goolsbee (Chicago) votierte für unveränderte Zinsen. Der neu ernannte Gouverneur Stephen Miran hingegen fand die Zinssenkung zu klein und forderte einen stärkeren Schritt.
Dissens ist in der Fed nicht ungewöhnlich, doch in so unterschiedliche Richtungen zeigt er selten. Historisch gab es nur fünf Sitzungen mit fünf abweichenden Stimmen – ein Hinweis darauf, dass interne Spannungen wachsen.
Powells Rolle – wirklich eine „Lame Duck“?
Offiziell endet Powells Amtszeit als Fed-Chef im Mai 2026. Dennoch könnte er bis 2028 Mitglied des Gouverneursrats bleiben, was als politisch heikel gilt. Traditionell ziehen sich Fed-Vorsitzende nach ihrer Amtszeit komplett zurück.
Ökonomen spekulieren, Powell könnte bewusst mehr Meinungsvielfalt zulassen, um seinem Nachfolger weniger Einfluss zu überlassen. Ein solches Szenario würde die Konsensfindung im FOMC erschweren.
Trumps Favorit: Kevin Hassett – möglicher Kurswechsel
US-Präsident Donald Trump hat bereits angedeutet, wen er bevorzugt: Kevin Hassett, früherer Chef des Nationalen Wirtschaftsrats. Hassett gilt als Befürworter einer sehr lockeren Geldpolitik und könnte die Fed deutlicher in Richtung expansiver Maßnahmen drängen.
Für die Märkte wäre dies ein Wendepunkt. Trump selbst kritisierte die jüngste Zinssenkung als zu gering und hält einen Leitzins von einem Prozent für wünschenswert. Dass ein solches Niveau bald erreicht wird, gilt jedoch als unrealistisch.
Der Ausblick: Weitere Zinssenkungen wahrscheinlich – aber vorsichtig
Die Bank of America rechnet mit zwei weiteren Zinssenkungen im Juni und Juli 2026. Damit könnte die Fed Funds Rate auf 3,00 bis 3,25 Prozent sinken. Doch die Fed steht vor einer Gratwanderung: Inflation bleibt über dem Zielwert, der Arbeitsmarkt schwächelt, und der politische Druck steigt.
Die Fed verliert an Geschlossenheit – und das ist das eigentliche Risiko
Die Zinssenkung selbst war keine Überraschung. Doch die wachsende Uneinigkeit im FOMC verändert die Dynamik der US-Geldpolitik.
Je näher der Führungswechsel rückt, desto entscheidender wird die Frage, wer die Fed künftig steuert – und ob es gelingt, eine klare Linie zu finden.


