Europa hofft auf den nächsten Chip-Champion – und er kommt aus München
Quantentechnologie trifft Chipindustrie
Quantum Diamonds hat ein neuartiges Verfahren entwickelt, um hochkomplexe Halbleiter schneller, präziser und kostengünstiger zu testen. Im Kern kombiniert das Unternehmen Quantensensorik auf Diamantbasis mit selbst entwickelter KI-Software. Damit lassen sich Fehler in modernen Chips zerstörungsfrei erkennen – ein entscheidender Vorteil in einer Branche, in der einzelne Produktionslinien Milliarden kosten.
Die Technologie basiert auf sogenannten NV-Zentren (Stickstoff-Fehlstellen) in synthetischen Diamanten. Diese wirken wie extrem empfindliche Sensoren für magnetische und elektrische Felder. So kann die Stromdichte in feinsten Schaltkreisen exakt kartiert werden. Die anschließende Auswertung übernimmt künstliche Intelligenz, die Anomalien schneller identifiziert als herkömmliche Testmethoden.
Kooperation mit Nvidia und TSMC
Dass der Ansatz mehr ist als ein akademisches Experiment, zeigt die Kundenseite. Quantum Diamonds arbeitet bereits eng mit Nvidia und TSMC zusammen – zwei der einflussreichsten Unternehmen der globalen Chipindustrie. Während Nvidia den Markt für KI-Grafikprozessoren dominiert, ist TSMC der weltweit führende Auftragsfertiger für modernste Chips.
Aktuell werden die Maschinen vor allem in der Chipentwicklung eingesetzt, um Designs zu überprüfen. Perspektivisch sollen sie jedoch auch direkt in der Serienproduktion laufen. Dort ist der wirtschaftliche Hebel enorm: Jeder vermiedene Produktionsfehler spart Zeit, Geld und Kapazitäten.
Eigene Fertigung mitten in München
Bereits ab Februar will Quantum Diamonds erste Anlagen ausliefern, die zunächst noch bei einem Partner in den Niederlanden gefertigt werden. Parallel entsteht in München eine eigene Produktion mit 3.000 Quadratmetern Reinraumfläche. Die Fabrik ist auf bis zu 100 Anlagen pro Jahr ausgelegt.
Die Finanzierung ist dabei stark staatlich geprägt: Rund die Hälfte der 152 Millionen Euro tragen Bund und Freistaat Bayern. Zusätzlich sammelte das Start-up 15 Millionen Euro Wagniskapital ein. Eine weitere Finanzierungsrunde ist in zwei Jahren geplant.
Vom Uni-Projekt zum Industrieplayer
Gegründet wurde Quantum Diamonds vor nur drei Jahren von zwei Absolventen der TU München: dem Betriebswirt Kevin Berghoff (33) und dem Quantenphysiker Fleming Bruckmaier (32). Heute beschäftigt das Unternehmen rund 50 Mitarbeitende, im kommenden Jahr soll sich die Zahl verdoppeln. Bereits 2025 erwirtschaftet das Start-up einen einstelligen Millionenumsatz – ungewöhnlich früh für ein Deep-Tech-Unternehmen.
Der schnelle Fortschritt erklärt sich auch durch den direkten Zugriff auf universitäre Spitzenforschung. Was bei ASML Jahrzehnte dauerte, wollen die Münchener deutlich schneller industrialisieren.
Rückenwind aus dem KI-Markt
Das Timing könnte kaum besser sein. Der Markt für KI-Hardware wächst rasant: Analysten erwarten, dass allein das Geschäft mit GPUs 2025 um rund 50 Prozent auf 173 Milliarden Dollar steigt. Auch der Markt für DRAM-Speicherchips soll zweistellig wachsen. Getrieben wird das von massiven Investitionen großer Tech-Konzerne in Rechenzentren.
Für Quantum Diamonds bedeutet das: steigender Bedarf an immer zuverlässigeren Testverfahren. Gründer Berghoff bringt es auf den Punkt: „Wir sehen die Nachfrage.“
Europas Chance im Maschinenbau
Während Europa bei der Chipproduktion selbst kaum noch eine Rolle spielt, liegt seine Stärke weiterhin im Maschinenbau und Spezialanlagen. ASML ist dafür das beste Beispiel. Sollte Quantum Diamonds auch nur annähernd diesen Weg gehen, könnte ein neuer Milliardenkonzern entstehen.
Nicht umsonst bescheinigt auch die EU-Kommission dem Start-up das Potenzial, „das nächste ASML“ hervorzubringen. Ob dieser Vergleich trägt, wird sich erst zeigen. Klar ist aber: Mit Quantentechnologie, KI und staatlicher Rückendeckung ist in München ein Unternehmen entstanden, das Europas Halbleiterambitionen neuen Schub geben könnte.


