EuGH-Urteil über EU-Mindestlohnrichtlinie: Ein wegweisender Entscheid steht bevor
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) steht vor einer entscheidenden Weichenstellung für die Zukunft der europäischen Mindestlohnpolitik. Im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung steht die 2022 von den EU-Staaten beschlossene Mindestlohnrichtlinie, deren Vereinbarkeit mit den europäischen Verträgen derzeit überprüft wird. Dänemark, unterstützt von Schweden, hat gegen die Richtlinie geklagt, da es diese als Kompetenzüberschreitung des EU-Gesetzgebers betrachtet. Im Kern der dänischen Argumentation steht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der ihrer Ansicht nach keine Regelungen für das Arbeitsentgelt erlaubt.
Der Generalanwalt des EuGH hat sich in seinen Empfehlungen für eine Abschaffung der Richtlinie ausgesprochen, wobei das Gericht jedoch nicht an diese Schlussbemerkung gebunden ist. Eine Aufhebung der Richtlinie könnte erhebliche Konsequenzen für die deutsche Gesetzgebung haben. Der aktuelle Diskurs über eine Anpassung des Mindestlohngesetzes an europäische Vorgaben, wie sie die Richtlinie vorsieht, könnte an Relevanz verlieren.
In Deutschland ist der Mindestlohn zuletzt auf 13,90 Euro pro Stunde festgelegt worden und soll bis 2025 schrittweise steigen. Eine Anhebung auf über 15 Euro, wie sie Gewerkschaften fordern, bleibt jedoch vorerst aus. Ebenso steht die Bundesrepublik vor der Aufgabe, einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen bei der EU-Kommission einzureichen, um das Ziel einer höheren Tarifbindungsquote zu erreichen.
Professor Adam Sagan von der Universität Bayreuth sieht in einer möglichen Nichtigkeitserklärung der Richtlinie einen Rückschlag für die EU-Sozialpolitik. Eine Bestätigung der Richtlinie würde hingegen eine Reform des deutschen Mindestlohngesetzes erfordern. Prof. Martin Höpner vom Max-Planck-Institut verweist darauf, dass unabhängig vom Ausgang der Klage ein deutlicher Handlungsbedarf in Deutschland besteht, um die sinkende Tarifabdeckung zu stoppen, der auch ohne EU-Vorgaben zu begegnen sei.

