Chronologie: Die Kundus-Affäre

Hamburg (dpa) - Nach dem Angriff auf zwei gekaperte Tanklastzüge in Afghanistan herrschte von Beginn an Verwirrung. Von 50 getöteten Aufständischen berichtete das Einsatzführungskommando der Bundeswehr unmittelbar nach dem Luftschlag am 4. September.

Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammed Omar, gab die Zahl der Getöteten dagegen mit 90 an, die Hälfte davon Zivilisten. Der Fall wurde für die Bundesregierung zur «Kundus»- beziehungsweise «Tanklaster»-Affäre. Mehrfach mussten Regierungsvertreter Fehler - vor allem bei Bewertung und Informationspolitik - einräumen. Ein Überblick:

4. September: «Unbeteiligte sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu Schaden gekommen», heißt es im Verteidigungsministerium. Doch schon bald kommen Zweifel auf: Unter Berufung auf NATO-Kreise berichten mehrere Zeitungen, das Bündnis dränge die Bundeswehr, ihre Informationspolitik zu ändern. Das Ministerium hält dagegen: «Sie können davon ausgehen, dass der Angriff angeordnet wurde, weil keine unbeteiligten Zivilpersonen durch den Angriff hätten zu Schaden kommen können», sagt Sprecher Thomas Raabe. Und: «Bei anwesenden Zivilisten hätte der Luftangriff nicht stattfinden dürfen.»

6. September: Ein Bericht der «Washington Post» wirft der Bundeswehr und ihrem Kommandeur in Kundus, Oberst Georg Klein, Verfehlungen vor. Ein Reporter war mit einem NATO-Untersuchungsteam unter US-General Stanley McChrystal am Ort des Geschehens.

7. September: Der Gouverneur des afghanischen Distrikts Char Darah spricht mittlerweile von 135 Toten, darunter auch Kinder. Das Ministerium in Berlin bleibt jedoch auch drei Tage nach dem Angriff bei seiner Version: «Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten Kenntnisse über zivile getötete Personen.» Kurz darauf wendet sich das Blatt: Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) räumt ein, dass auch Zivilisten unter den Opfern sein könnten. «Wir sind an einer Aufklärung interessiert, und wenn es dort entsprechende zivile Opfer gegeben hat, dann hat das selbstverständlich unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme hervorzurufen.»

17. September: Nach Abschluss der afghanischen Untersuchung spricht Afghanistans Präsident Hamid Karsai von einem Fehler: «Der Vorfall ist sehr bedauerlich, denn wir haben zu viele Zivilisten verloren.» Nach Angaben aus Kabul wurden bei dem Luftangriff 99 Menschen getötet, darunter 69 Taliban und 30 Zivilisten.

29. Oktober: Die NATO legt dem Bundesverteidigungsministerium ihren geheimen Bericht vor: Die genaue Opferzahl sei nicht mehr genau zu ermitteln. Oberst Klein habe gegen Regeln verstoßen und die Bombardierung im Alleingang ohne Vorwarnung für die Taliban angeordnet, heißt es laut Medien in dem Bericht. Dabei seien zwischen 17 und 142 Menschen getötet worden - unter ihnen bis zu 40 Zivilisten. «Das bestätigt nicht, dass durch den Luftschlag unbeteiligte Personen getötet wurden», sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. Oberst Klein und die deutschen Soldaten hätten militärisch angemessen gehandelt.

6. November: Auch der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nennt den Angriff zunächst «angemessen». Nach dem Studium des Geheimberichts der NATO habe er keinen Zweifel an der Einschätzung Schneiderhans.

26. November: Ein Artikel der «Bild»-Zeitung über einen unterschlagenen Bericht, der früh von zivilen Opfern spricht, löst eine turbulente Bundestagsdebatte aus. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert werden deshalb von Guttenberg entlassen. Guttenberg sagt am Abend im ZDF, nach Bekanntwerden der neuen Dokumente müsse er womöglich seine Bewertung vom 6. November revidieren.

27. November: Jung, der nach der Bundestagswahl Arbeitsminister geworden war, tritt zurück. Er zieht damit die Konsequenzen aus den Informationspannen nach dem verheerenden Luftschlag der Bundeswehr Anfang September in Afghanistan.

3. Dezember: Guttenberg vollzieht im Bundestag eine Kehrtwende. Er bezeichnete das Bombardement vom 4. September mit bis zu 142 Toten und Verletzten nun als «militärisch nicht angemessen». Die neuen Dokumente hätten ihn zur Korrektur seiner Meinung veranlasst. Er zweifele aber nicht daran, dass Oberst Klein im Interesse seiner Soldaten gehandelt habe, und nimmt ihn ausdrücklich in Schutz.

Bundesregierung / Bundestag / Afghanistan
03.12.2009 · 22:05 Uhr
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